Beängstigend ist es, wenn man die eigene Zukunft vor Augen geführt bekommt:
altern, abbauen, vergreisen - sterben. Hilflosigkeit, Wut, Trauer, Angst, alles
kommt da hoch. Und nicht allein diesen beängstigenden Gefühlen gilt die
Auseinandersetzung, sondern schließlich ist da ja auch noch die Person, die
diese wahrscheinliche Zukunft so schonungslos offenbart - in den meisten Fällen
die Eltern.
Wie das ist, wenn man in dieser Situation steckt, beschreibt die Philosophin und
Literaturwissenschaftlerin Claudia Wolff in "Letzte Szenen mit den
Eltern". Bei ihr erzählt "die Tochter", genauer gesagt,
"die alternde Tochter". Sie berichtet über ihre Erlebnisse mit
"der greisen Mutter", und blickt einige Jahre zurück, auf den Tod des
"greisen Vaters". Mit dieser Erzählform gelingt Claudia Wolff ein
fantastischer Spagat: die vermeintliche Distanz macht es möglich, dass sich der
Leser mit der Autorin auf Gefühle einlässt, die tief unter die Haut gehen. Die
Hilflosigkeit angesichts der zunehmenden geistigen und körperlichen Vergreisung
der Mutter, die Wut und Verzweiflung, die dabei hochkommen, dabei ständig
gefordert zu sein, verständnis- und rücksichtsvoll zu sein - vieles muß da
verarbeitet werden. Und dann ist es ja wohl auch noch der unangenehme
Vorgeschmack auf die eigene Zukunft...
Fazit
Ein Thema, welches nicht allzu häufig aufgegriffen wird und doch alle betrifft
- und eine stilistische Umsetzung, die es ermöglicht, eine brisante und
tiefgehende Auseinandersetzungen zu führen, ohne sich persönlich mit voller
Wucht den meist angstvoll besetzten Fragen zu konfrontieren.
Vorgeschlagen von Annette Rieck
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veröffentlicht am 18. September 2004 2004-09-18 15:21:11