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Hans-Peter Schwarz: Anmerkungen zu Adenauer

Anmerkungen zu Adenauer

von Hans-Peter Schwarz
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-421-05838-6

Preis: 3,47 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. Dezember 2024]
Hans-Peter Schwarz gilt als der Adenauer-Experte der Bundesrepublik Deutschland. Seine zweibändige Adenauer-Biographie: Adenauer: Der Aufstieg: 1876-1952 und Adenauer: Der Staatsmann: 1952-1967 ist bahnbrechend.

Aus Anlass einer Umfrage des ZDF, wer nach Meinung der Deutschen der "größte Deutsche" sei,(die Mehrheit votierte für Adenauer) entstand dieses - lesenswerte - Buch.

Methodisch erinnert es - und dies ist vom Autor bewußt gemacht - an Sebastian Haffners: "Anmerkungen zu Hitler". Wie jener es schafft, auf knapp 200 Seiten das Wesentliche zu Hitler zu sagen (meines Erachtens ist Haffners Werk die bis heute beste deutsche Hitler-Biographie), so eigne sich dessen "Methodik einer thematisch geordneten Diskussion" auch zur Entschlüsselung Adenauers, in dem heute bemerkenswert viele, auch junge Deutsche mit inbegriffen, so etwas wie eine positive Leitfigur sehen.

Den Anspruch, wesentliches zu Leben, Leistungen und Schattenseiten Adenauers beizutragen, erfüllen diese: "Anmerkungen zu Adenauer" voll und ganz. Sie sind lesbar und machen deutlich, welche Leistungen dieser Politiker vollbracht hat: ein völlig zerstörtes Land wieder aufzubauen, ihm Selbstgefühl und Lebenskraft zu geben. Man darf ja nie vergessen, wie sehr 1945 für Deutschland eine "Stunde Null" gewesen ist - eben nicht nur im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Bereich, wo alles zerstört war und wiederaufgebaut werden musste -, sondern eben auch im geistigen, mentalen und kulturellen Bereich.

Die positiven Aspekte von Werk und Wirkung Adenauers kommen in dieser Biographie gut zum Ausdruck. Leider jedoch ist Schwarz ein Adenauer-Apologet. Kritische Seiten der Adenauerschen Persönlichkeit, sein unablässiges Denken in Feindbildern, die Verteufelung des politischen Gegners, sein autoritäres Gehabe, etwa in seiner Einstellung zur Pressefreiheit - beispielhaft deutlich geworden während der "Spiegel-Affäre" wird zwar in dem Kapitel: "Nachtseiten" durchaus angesprochen, aber eher als Nebensache abgetan: "Man war überhaupt nicht gut beraten, wenn man auf sein Wort baute" (S: 175) zitiert Schwarz Arnulf Baring.

Kritischer wird es jedoch, wenn man seine Außenpolitik genauer untersucht. Es ist Schwarz uneingeschränkt zuzustimmen, wenn Adenauers Ziel der Westintegration korrekt beschrieben wird. Dass er aber die Wiedervereinigung ernsthaft anstrebte, wird man - wenn man Adenauers ungeprüfte (!) Ablehnung der Stalin-Noten 1952 betrachtet - wohl verneinen müssen. Schwarz betont allzu penetrant, Adenauer habe schließlich doch mit seiner Feststellung: "Wir müssten die Freiheit der Bundesrepublik erhalten, bis einmal, wann weiß ich nicht, die Verhältnisse in Russland sich ändern" (S. 139)letztlich doch mit seiner "Politik der Stärke" recht behalten: "Die "Verhältnisse in Russland" begannen sich erst unter Gorbatschow ganz unerwartet zu ändern. Ist somit die Feststellung übertrieben, dass Adenauer in diesem Punkt letztlich doch recht behalten sollte?" Dies mag zwar sein. Wie Gregor Schöllgen - auch er eher konservativ - in seiner "Geschichte der deutschen Außenpolitik" zu recht anmerkt, war eine Wiedervereinigung aufgrund der "Politik der Stärke" in den 1950-ger und 1960-ger Jahren nicht realisierbar: "Vorderhand sah es nämlich eher so aus, als behielten die Kritiker Adenauers recht mit der Vermutung, die Integration der Bundesrepublik in den Westen und die dadurch erzielte Gleichberechtigung würden den Weg zu einer Wiedervereinigung gerade versperren." (Gregor Schöllgen: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Beck-Verl., 2001, S. 23). Auch Schwarz erklärt an anderer Stelle eher versteckt: "Da er in einer Neutralisierungs-lösung den direkten Weg in die Hölle sah, blieb als theoretisch vorstellbare Möglichkeit nur eine Wiedervereinigung mehr oder weniger zu den Bedingungen des Westens, vielleicht mit dem Kompromiß einer Zustimmung Deutschlands zur Oder-Neiße Grenze und zu einem entmilitarisierten Status der einstigen DDR. Eigentlich konte aber niemand glauben, Adenauer am wenigstens, die im Weltkrieg immerhin siegreiche Sowjetunion könne den Verlust ihres Sicherheits-Glacis hinnehmen." (S. 134). Eben genau dies. Insofern war Adenauer vollkommen bewußt, dass eine Wiedervereinigung nicht möglich war unter den Bedingungen des Ost-West-Gegensatzes und der weltanschaulichen Konfrontation beider Supermächte. Mit dieser "Lebenslüge" - wie Willy Brandt dieses aus seiner Sicht illusionäre Beharren auf der Wiedervereinigung in Freiheit unter diesen Bedingungen genannt hat - in Wahlkämpfe gegangen zu sein, hat Anlass zu der Behauptung gegeben - und das sogenannte "Kirkpatrick-Dokument vom 16.12.1955 beweist dies ziemlich eindeutig - dass Adenauer wusste, dass er den Deutschen mit seinen artikulierten Hoffnungen auf diese Vereinigung eine Illusion - oder eben Lebenslüge - vermittelte: "Er würde von dem Gedanken erschrekct, dass nach seinem Abtreten von der politischen Bühne eine künftige deutsche Regierung eine Übereinkunft mit Russland treffen werde auf deutsche Kosten. Demgemäß wäre er überzeugt, dass die Eingliederung Westdeutschland in den Westen wichtiger sei als die Vereinigung Deutschlands...Als er mit diese Mitteilung machte, betnote der Botschafter natürlich...es wäre selbstverständlich ganz verheerend für seine (=Adenauers) politische Konzeption, wenn diese Sichtweise....jemals in Deutschland bekannt würde."

Darauf geht Schwarz nicht ein. Und auf seine problematische Einstellung zum Rechtsstaat - die Spiegel-Affäre ist ein Beispiel - nur als "gelegentlich recht unkorrekte Methoden" zu verharmlosen, scheint mir nicht korrekt zu sein.
Fazit
Insofern viel zu kritiklos und apologetisch. Dies ist für mich bei diesem Werk von Schwarz, das trotz dieser Kritik durch viel Detailwissen besticht, der entscheidende Kritikpunkt an dieser Biographie. Ansonsten gut lesbar und als Ersteinführung - brauchbar. Wegen seiner Apologetik sollten für Referate jedoch unbedingt auch kritischere Adenauer-Biographien, etwa die von Peter Koch, mit herangezogen werden.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne
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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 18. September 2004

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