Cornelia Funkes Buch "Tintenherz" ist eine Geschichte über die Macht
der Bücher. Mo, Maggies Vater, hat die Macht, Figuren aus Büchern
"herauszulesen" und damit zum Leben zu erwecken. Damit begibt er sich
jedoch in Gefahr, da Capricorn, der böse Held der Geschichte, den Mo aus einem
Buch herausgelesen hatte, dieses Buch auf jeden Fall finden möchte, um dort
wieder hinein zu gelangen. Dabei schreckt er auch vor Entführung nicht
zurück...
Die Idee, dass Personen aus Büchern plötzlich lebendig werden können, ist das
Interessante an diesem Buch. Schön ist auch, dass jedes Kapitel mit Zitaten aus
Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur beginnt. Dies zeigt damit sowohl die
Wurzeln von Funkes Fantasie und regt zum Lesen bzw. Wiederlesen dieser Klassiker
an.
Das Buch steht aber als phantastische Geschichte in der Tradition von
Michael Endes: "Die unendliche
Geschichte", aus der in einem Kapitel auch zitiert wird und nicht in der
Tradition von Fantasy wie Harry Potter.
Als Harry-Potter-Fan bin ich von "Tintenherz" enttäuscht. Die Figuren
sind mir zu eindimensional dualistisch "zuordbar", es gibt nicht - wie
bei Harry Potter - Zwischentöne und durch ihre Komplexität interessante
Charaktere (wie Snape). Die Figuren sind daher entweder edel und gut (Mo) oder
abgrundtief böse (Carpicorn). Daher ist die Handlung, obwohl abenteuerlich, aus
meiner Sicht zu sehr vorhersehbar.
Das Spannende an Harry Potter ist doch, dass nichts so ist, wie es zu sein
scheint, Figuren nicht eindeutig einer guten oder bösen Seite zuzordnen sind.
Dies ist hier nicht der Fall, insofern fehlt es dieser Geschichte eigenartiger
Weise an Phantasie. Ich war nicht gefesselt. Mir fehlte aufgrund der
Vorhersehbarkeit der Handlung die durchgängige Spannung, die ich von guter
Fantasy erwarte. Tintenherz ist meines Erachtens - von der guten Idee abgesehen
- absolut nicht spannend, sondern stellenweise sehr langatmig und zäh
dahinfließend. Es gibt keine Höhepunkte in der - doch sehr vorhersehbaren -
Handlung. Auch die Sprache enttäuscht - es fehlt der Reichtum an Fabulierkunst,
die gute Phantastik ausmacht. Insofern hat diese Geschichte meine Erwartungen
nicht erfüllt.
Fazit
Wäre das Buch 1979, zur Zeit von Michael Ende, erschienen, wäre es aufgrund
seiner Idee her eine Sensation gewesen. Vielleicht ist der Bereich der Fantasy
durch den "Herrn der Ringe" und "Harry Potter" nicht mehr zu
toppen. Insofern war ich von dem Buch enttäuscht. Vielleicht waren meine
Erwartungen als Harry-Potter-Fan auch aufgrund der zahlreichen enthusiastischen
Kritiken zu hoch. Es muss aber nochmals festzuhalten werden, dass dieses Buch
eben nicht in der Tradition von
Joanne K. Rowling, sondern in der
von Michael Ende steht und somit von dessen Fans deutlich positiver beurteilt
werden dürfte als von mir. Wer daher auf Fantasy im Sinne von Harry Potter
steht, dürfte von diesem Buch enttäuscht sein. Dennoch vergebe ich 6 Sterne
wegen der guten Idee.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 12. September 2004 2004-09-12 21:14:07