Alain Fourniers: "Der große Meaulnes" ist ein bedeutender
französischer Roman um die Verlust der Kindheit. Er schildert die Erlebnisse
von Freundschaft und Erwachsenwerden unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg in der
"Welt von Gestern" (Stefan Zweig). Francois Seurel findet in dem
17-jährigen Augustin Meaulnes einen lang ersehnten Freund, da er wegen eines
Hüftleidens nicht mit anderen spielen kann und so zum Außenseiter wird. Doch
Augustin Meaulnes, der für Seurel zum idealisierten Vorbild wird, verschwindet
eines Tages spurlos. Erst nach Tagen kehrt er zurück und berichtet seine
wundersamen, ja phantastischen Erlebnisse: er reist in einer Kutsche zu einem
unbekannten Schloss, wo eine Hochzeit gefeiert werden soll. Doch diese findet
nicht statt, da die Braut des Schlossherren nicht auftraucht. Mealunes verliebt
sich in die Schwester des Bräutigams, Francois de Galais, Yvonne.
Nachdem Meaulnes zurückgekommen ist, kann er sich nicht mehr an den Weg zum
Schloss erinnern. Vergeblich suchen sie den mysteriösen Ort, den sie das
"verlorene Land" nennen. Erst sehr viel später begegnen Augustin und
Francois dem Bräutigam, der immer noch nach seiner Braut sucht. Francois de
Galais teilt Augustin Meaulnes den Aufenthaltsort seiner Schwester mit. Dafür
muss Meaulnes Francois bei der Suche nach seiner verschwundenen Braut helfen.
Augustin heiratet Yvonne, obwohl der Zauber der ersten Begegnung, die fast
traumähnlich gewesen ist, verloren gegangen ist. Nach der Hochzeit muss er
jedoch seine Braut verlassen, um Francois bei der Suche nach seiner Schwester zu
helfen. Yvonne, inzwischen schwanger, stirt kurze Zeit nach der Geburt des
Kindes, ohne ihren Mann wiederzusehen. Augustin kehrt noch einmal in das Schloss
zurück, um seine Tochter zu holen und in die Welt zu ziehen.
Dieser Roman zeigt in der Tat eine Welt von gestern. Der große Eindruck, den er
auf mich gemacht hat, liegt darin, dass er die Sehnsucht nach einer
"verlorenen Welt" mit großer symbolischer, ja phantastischer Kraft
schildert. Marcel Prousts: " Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"
scheint hier vorweggenommen zu sein. Die Protagonisten sind immer auf der Suche
nach einer idealisierten Vergangenheit. Entweder stellt sich die Konfrontation
mit der Realität - so bei der zweiten Begegnung Meaulnes mit Yvonne de Galais -
als Enttäuschung dar, wie nach dem Erwachen aus einem Traum. Oder - wie bei der
Sudhee des Francois de Galais, der seine Braut nicht findet - die Vergangenheit
bleibt immer verloren. So ist es auch mit der Kindheit und der "Welt von
gestern." So enthält der Roman durchaus märchenhaft-mythische Elemente.
Marcel Proust, aber auch Stefan Zweig haben mich an das Buch erinnert. Aber auch
der Fantasy-Autor Lord Dunsany scheint mir mit seiner "Königstochter aus
dem Elfenland" oder "Im Lande des Yann" Motive verwendet zu
haben, die ich bei Fournier wieder entdeckte.
Fazit
Ein faszinierendes Buch, welches meines Erachtens zu Recht ein Meisterwerk der
Weltliteratur geworden ist und mich nie mehr losgelassen hat.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 08. September 2004 2004-09-08 21:27:56