Die Gründe für eine Flucht aus der angestammten Heimat sind über die Epochen
hinweg unverändert geblieben: Not, Elend, Krieg und Vertreibung. Hinter immens
großen Zahlen verbergen sich individuelle Schicksale, damals wie heute. Das
vorliegende Buch der beiden Herausgeber Felix Bohr und Solveig Grothe befasst
sich mit den historischen Ereignissen überwiegend nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs. Eine Epoche, die kurz zuvor durch die gnadenlose Herrschaft der
Nationalsozialisten geprägt wurde und nach deren Niederlage der
Flüchtlingsstrom in Richtung des am Boden liegenden und völlig zerstörten
Deutschlands floss.
Ein ausgesprochen breites Spektrum zum Thema Flucht und Vertreibung greifen die
Herausgeber in ihrem Werk auf. Unterstützt durch eine Vielzahl von Autoren
werden unterschiedliche Aspekte zum Thema präzise und eindringlich beschrieben.
Eindrucksvoll werden die Schicksale hinter den Ereignissen aufgedeckt. Der
Leserschaft begegnen bekannte Persönlichkeiten, deren Familien zu den
"Heimatvertriebenen" gehören (z.B. der frühere Bundespräsident
Horst Köhler oder Marion Gräfin Dönhoff), ebenso aber die vielen Menschen,
deren Namen unbekannt bleiben.
14 Millionen Flüchtlinge müssen ihre Heimat verlassen und werden teils
zwangsweise in ehemals "Volksdeutschen Gebieten" angesiedelt oder
fliehen als Angehörige deutscher Volksgruppen in das völlig zerstörte
Deutschland und müssen, um einen Neuanfang kämpfen; die Überlebenden
Deutschen sind mit ihren eigenen existenziellen Problemen beschäftigt und somit
werden die Neuankömmlinge häufig kritisch oder gar feindselig betrachtet und
entsprechend behandelt. "Willkommenskultur" war ein Fremdwort.
Fazit
Es handelt sich um ein wichtiges Buch, das einen wertvollen Beitrag zur
Geschichte von Flucht und Vertreibung leistet. Als Nachkömmling zweier
heimatvertriebener Eltern habe ich dieses Werk mit besonderem Interesse gelesen
und war angetan von der inhaltlichen Fülle der einzelnen Beiträge des Buches.
Rasch wurde klar: Vertreibung betraf keineswegs nur Deutsche, es traf auch
andere Volksgruppen, die von den Nazis vertrieben wurden um Lebensraum zur
Ansiedlung arischer Familien zu schaffen. Nach dem Ende der Naziherrschaft
folgte die Strafe auf dem Fuße.
Es schreibt sich so leicht dahin und dabei betraf es 14 Millionen Menschen - 14
Millionen Einzelschicksale. Menschen, die Haus und Hof verlassen mussten und nur
mit dem Notwendigsten versehen in eine ferne, neue Heimat flohen, in der sie
nicht willkommen waren. Das Buch regt nicht nur zum Nachdenken an, es liefert
auch Hinweise für diejenigen, die zum Thema "Fluchtgeschichte der eigenen
Familie" recherchieren möchten (siehe hierzu: "Wie lief Omas Flucht
ab?, S. 177 ff.). Alles in allem bietet dieses Werk eine Fülle gut lesbarer
Informationen und stellt einen echten Gewinn dar!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 18. März 2025 2025-03-18 16:08:33