Das vorliegende Werk von Joscha Döpp greift ein Verbrechen auf, das von seinem
Tatort her durchaus einen beachtlichen Bekanntheitsgrad besitzt: das Massaker
von Babyn Jar. Die Massenerschießungen von 33.000 ukrainischer Jüdinnen und
Juden aller Altersgruppen gilt als eines der brutalsten Verbrechen während des
Überfalls auf die Sowjetunion und darüber hinaus als größter Massenmord an
der jüdischen Bevölkerung außerhalb der Konzentrationslager. Bei der Lektüre
wird rasch klar: Der Blutspur des SS-Sonderkommandos 4a können weitere
Kriegsverbrechen zugeordnet werden, der rund 80.000 Menschen zum Opfer
fielen.
Inhaltlich bezieht sich der Autor in der Veröffentlichung seiner
preisgekrönten Masterarbeit auf die Verbrechen eines Sonderkommandos, das als
Teil der Einsatzgruppe C an zahlreichen Massakern gegen die jüdische
Zivilbevölkerung beteiligt war. Bei den bekannten Prozessen gegen die
NS-Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg und dem nachgelagerten
"Einsatzgruppenprozess" 1947/48 (ebenfalls in Nürnberg) wurde
lediglich gegen die ranghöheren Hauptangeklagten Kommandeure vorgegangen und
geurteilt.
Für die Verantwortlichen der nachgeordneten Dienstgrade sah es zunächst so
aus, als kämen sie mit einem "blauen Auge" davon. Dies änderte sich
mit dem Engagement des bekannten hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer und
der Errichtung einer sog. "Zentralen Stelle" in Ludwigsburg, die
systematisch Kriegsverbrechen in Osteuropa aufarbeitete und dokumentierte. Im
Zuge dessen kam es zu weiteren Prozessen in den 1960er-Jahren. Weitere
Verantwortliche für Massenmorde in Osteuropa wurden von der Vergangenheit
eingeholt und vor Gericht gestellt. Das Buch greift den "Darmstädter
Einsatzgruppenprozess" 1965-67 auf und beschreibt die Vorgehensweise bei
der juristischen Aufarbeitung, bevor entsprechende Urteile vor dem Darmstädter
Schwurgericht im November 1968 gefällt wurden.
Fazit
Eine sehr präzise, auf umfangreicher und detaillierter Recherche basierende
Arbeit ist es, die Jascha Döpp der Leserschaft mit dem vorliegenden Buch zur
Kenntnis bringt. Genau so sieht grundsolide und seriöse historische Forschung
aus! Damit ist klar: Es handelt sich um eine exakt gehaltene und im Tonfall
angemessene Darstellung der Taten des Sonderkommandos 4a auf dem Gebiet der
heutigen Ukraine. Es gelingt dem Autor, die Leser über die unfassbaren
Verbrechen zu informieren, einige der Hauptverantwortlichen als Charaktere zu
beschreiben und überdies den ausgesprochen schwierigen und langwierigen Prozess
der juristischen Aufarbeitung zu erläutern. Dabei wird stets die notwendige
Distanz zu Taten und Personen gewahrt, ohne in Emotionslosigkeit abzugleiten.
Es wird hierbei nicht nur auf die umfassenden Recherchen der Zentralen Stelle
zurückgegriffen, sondern auch die besondere zeitgeschichtliche Problematik wird
ersichtlich, die für die Führung der Prozesse in den 1960er-Jahren Gültigkeit
hatte. Die (aus heutiger Sicht) wesentlich zu milden Urteile werden gekonnt
kritisch eingeordnet und so entsteht ein Blick auf diese Zeit ohne jegliches
"Bashing", sondern mit einer Einordnung, die beeindruckend ist, ohne
zu relativieren.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 18. März 2025 2025-03-18 16:06:57