"Das Unaussprechliche, darin zeigt sich die Grenze des Denkens – und des
Daseins." (Friedrich Nietzsche)
Die fesselnden Grenzen des Denkens werden im vorliegenden Buch durch Jósef
Debreczeni gesprengt, in dem er dem Unaussprechlichen, dem Unvorstellbaren Worte
verleiht. In seinen Schilderungen werden die (täglichen) Grenzen des Daseins
während des Holocaust auf literarisch einmalige Art und Weise geradezu
plastisch dargestellt. 1905 als József Bruner in Budapest als Kind jüdischen
Glaubens geboren, arbeitete er später als Redakteur großer ungarischer
Zeitungen, bevor er 1941 zur Zwangsarbeit verurteilt und 1944 nach Auschwitz
deportiert wurde. Er durchlief mehrere Camps, bevor er 1945 aus dem Lager
Dörnhau befreit wurde. Bereits 1950 verarbeitete er seine Qualen durch den
vorliegenden Bericht. Das Buch erschien zunächst nur in ungarischer Sprache.
Mehr als 70 Jahre später erst wurde es wiederentdeckt und in 15 weitere
Sprachen übersetzt. Das vorliegende Werk, soeben erschienen beim S. Fischer
Verlag, stellt die deutsche Erstausgabe dar.
In zwei Kapiteln schildert er die schier unfassbaren Erlebnisse während seines
Leidensweges in verschiedenen Lagern rund um das wohl bekannteste
Konzentrationslager Auschwitz. Er überlebt schließlich auch die berüchtigte
Krankenbaracke des Zwangsarbeitslagers Dörnhau, aus dem er, und weitere
Überlebende, Anfang Mai 1945 durch die Rote Armee befreit wurde.
Fazit
Jósef Debreczeni gelingt ein symbolisch betrachtet meisterhafter Spagat:
Einerseits beschreibt sein "Leben" und das seiner Mithäftlinge aus
einer unnachahmlichen (inneren) Distanz. Andererseits nimmt er in seinem Bericht
kein Blatt vor den Mund und schildert das alltägliche Grauen ungeschönt und
erbarmungslos. Es ist beileibe nicht das erste Buch eines Zeitzeugen zum Thema
Holocaust, das ich gelesen habe. Es ist aber zweifelsohne ein Werk von
besonderer Güte und Klarheit. Das Urteil der "Times" bringt es nach
meinem Dafürhalten absolut treffend auf den Punkt: "Ein literarischer
Diamant, scharfkantig und kristallklar."
Ich weiß nicht, wie oft ich während des Lesens innegehalten habe. Tief
berührt von den Beschreibungen des Autoren. Gerade die von ihm gewählte
Distanz bei seinen Schilderungen schaffen Wirkung. Ganz ohne zusätzlichen
emotionalen Push entsteht das Bild eines unfassbaren menschlichen Dramas. Durch
die Authentizität der Berichte wird das Dilemma der Menschen in den Lagern
greifbar - was ist besser: weiter leben - oder sterben? Es fällt mir schwer,
geeignete Schlussworte zu finden, außer der Bitte: Unbedingt lesen!
Schließen möchte ich an dieser Stelle mit den Worten einer anderen
Holocaust-Überlebenden: "Man begreift nicht, was geschehen ist, doch genau
deshalb darf man nie aufhören, sich darum zu bemühen." (Ruth Klüger).
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 01. Dezember 2024 2024-12-01 18:01:36