"Niemand kann seiner Vergangenheit entkommen. Auch Du nicht"!
Als wenn die Zeiten nicht schon drängend und gefährlich genug wären im Jahr
1923 in Wien. Wo, ebenso wie in Deutschland, die völkische und
nationalsozialistische Bewegung immer härter, offener und bedrängender
auftritt. Vielleicht könnte ein Mörder da davon ausgehen, dass eine
"kleine Tat" nebenbei in der Kakophonie der aggressiven Töne nicht
unbedingt höchste Beachtung findet? Auch wenn es sich um eine Frau handelt, die
vielfache Beziehungen (in vielfacher Art und Weise) bis in hohe Kreise hinein
pflegt?
Nun, vielleicht wäre ein einzelner Mord zwar einige Meldungen wert gewesen,
bevor man zu drängenderen Fragen der Zeit wieder zurückkehrt. Doch da hat
jemand die Rechnung ohne die Hartnäckigkeit und die Fähigkeiten des
Kriminalkommissars August Emmerich gemacht. Der zwar einen Hinweis noch
benötigt auf ganz andere, mörderische Ereignisse der Vergangenheit, aber schon
von Beginn an sich festbeißt an diesem Mord an der Gesellschaftsdame. Wobei
ihm, wie immer, zugutekommt, dass die "höhere Gesellschaft" ihn gerne
unterschätzt und verächtlich betrachtet.
"In diesem Viertel wirkte Emmerich mit seinen ausgetretenen Schnürschuhen
und dem fadenscheinigen Mantel…..wie ein Fremder".
Was er in gewisser Weise auch ist, sich aber durch seine Hartnäckigkeit und
seine Fähigkeit, Druck zu widerstehen, nicht abhalten lässt, hinter so manche
Fassaden zu schauen, die das Tageslicht eher zu scheuen haben. So entfaltet Beer
vor den Augen der Leser und Leserinnen eine Melange aus Zeitgeschichte, dunklen
Begehrlichkeiten, präzise geschildertem Lokalkolorit und einem Ermittler, den
das Leben durchaus das ein oder andere Mal bereits in Mitleidenschaft gezogen
hat, der aus diesen Erfahrungen und seiner persönlichen Situation aber nicht in
Verzweiflung geriet, sondern immer wieder klarer und gehärteter seinen Weg
unnachgiebig verfolgt.
Dass dabei das Opfer, Maria Hochmeister, selbst unnachgiebig ihre Lust an
Geltung und Reichtum verfolgte und dabei auch zu nicht immer angenehmen Mitteln
griff, führt vielleicht zu Anfang auf falsche Spuren und Annahmen, doch so
einfach wird es nicht sein, diesen Mord als Teil aktueller Stimmungen, Intrigen
oder persönliche Bedrängungen zurückzuführen. Je weiter Emmerich in die
Stränge des Mordes eindringt, desto klarer wird ihm vor Augen gestellt, dass
vielfache Motive hinter der Gewalt an der Frau zu finden sein werden.
Fazit
Vor allem, weil es bei dieser einen, brutal ermordeten Frau nicht bleiben wird.
Und sie ebenfalls nicht die erste ist, bei der sich eine konkrete
"Handschrift" im Zuge einer ganzen Mordserie zeigt. Wobei auch schon
1923 bei Ermittlungen ebenfalls darauf geachtet werden muss, gewaltbereite
gesellschaftliche Gruppen nicht zu sehr gegen sich aufzubringen. Außer, es geht
nicht anders, um die Fälle zu lösen.
Die Emmerich natürlich wieder mit seinem kongenialen Partner Winter angeht und
die, neben der klaren Zeichnung der Zeit und deren Verhältnissen, sich
ebenfalls durch eine sehr realistische Darstellung der "kriminalen
Arbeit" auszeichnet. Eine klare Leseempfehlung.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 28. November 2024 2024-11-28 12:51:28