Dies ist der zweite Roman von Simon Beckett überhaupt. Ich würde ihn als eine
Studie bezeichnen, anhand derer der Autor experimentiert und ausprobiert, wie
weit er es mit seinen Figuren treiben kann. Der Psychopath in diesem wie auch in
anderen Thrillern des Schriftstellers geben einen Blick in die Abgründe der
menschlichen Psyche.
Nigel ist beschäftigt beim Arbeitsamt. Er ist unverheiratet und führt ein
eigenständiges Leben in dem Pub, den seine Eltern vor einigen Jahren betrieben
haben. Nigel empfindet gelegentlich eine gewisse Einsamkeit in der Kneipe.
Obwohl er zwei Kolleginnen, Cheryl und Karen, hat, mit denen er sich recht gut
versteht, hatte er bisher noch nie eine richtige Freundin. Karen neckt ihn oft
und nimmt ihn meist nicht wirklich ernst. Obwohl Cheryl meistens bei den
Späßen ihrer Freundin auch lacht, ist ihr das oft unangenehm und sie
entschuldigt sich bei Nigel.
Nigel lässt die Leser an seinem Leben teilhaben und gewährt Einblicke in seine
Kindheit sowie seine verstorbenen Eltern. Trotz allem erhielt er von seinen
Eltern die Kneipe als Erbe, ein Gebäude, das er nun für sich selbst nutzen
kann. Nigel scheint etwas verlassen zu sein, die Umgebung um ihn herum wirkt
ziemlich trostlos. Man könnte ihn für einen klassischen Verlierer halten.
Aber ganz so ein Verlierer ist er nicht. Im Keller des Pub hat er einige Räume,
in denen er offensichtlich Tiere beherbergt, sie füttert, mit ihnen spielt und
sie gelegentlich auch ärgert. Diese Tiere nennt er das dicke, das schwarze, das
tätowierte, das rothaarige und so weiter. Als er einmal zwei in eine Zelle
gesteckt hat, sind die beiden nicht miteinander klar gekommen Punkt es hat nicht
lange gedauert, bis beide tot waren.
Letztendlich aber füttert er keine Tiere in dem Keller, sondern entführt und
sperrt er Menschen ein – Jungs und Mädchen. Was dabei letztendlich
herauskommt, ist etwas ganz Besonderes.
Der Erzählstil und die Herangehensweise in diesem Buch sind faszinierend. Die
Geschichte wird aus der Sicht der Hauptfigur erzählt, was eine intensive
Verbindung zu ihr aufbaut. Durch den Wechsel der Kapitel entwickeln sich zwei
Handlungsstränge: einer handelt von einem Psychopathen, der Menschen gefangen
hält, und der andere von einem schüchternen jungen Mann, der noch nie eine
Freundin hatte. Der schüchterne Mann erweckt Mitleid und man möchte ihn
einfach mögen, während der Psychopath abstoßend ist und man kann seine Taten
und Gefühlskälte nicht verstehen.
Simon Becket lässt Nigel seine Gefangenen entmenschlichen, indem er sie wie
Tiere behandelt. Er füttert sie mit Hundefutter in Näpfen, lässt sie in
Schmutz verkommen und ihre eigenen Ausscheidungen verschlingen. Die
Erzählstimme kennzeichnet dieses Verhalten, indem sie von dem Dicken, dem
Tätowierten, dem Schwarzen oder dem Rothaarigen spricht, statt sie als Menschen
wahrzunehmen.
»Tiere« von Simon Beckett bietet einen ungewöhnlichen Einblick in die Psyche
eines Menschen. Die Handlung entwickelt sich spannend, insbesondere durch die
Interaktionen mit den Kolleginnen und die Frage, ob die Gefangenen wieder auf
freien Fuß kommen. Leser können die Entwicklung der Hauptfigur zu einem
Psychopathen nachvollziehen, was das Buch besonders interessant macht.
Allerdings kann die sachliche Ansprache der Gefangenen verwirrend wirken; es
liest sich oft falsch, trotz des klaren Kontextes. Das Ende hätte zudem etwas
wohlwollender gestaltet sein können. Insgesamt ist das Buch für Leser
empfehlenswert, die an psychologischen Einblicken und spannenden Entwicklungen
interessiert sind.
Fazit
Als ein Fan von fesselnden Geschichten und packenden Figuren sollte man
unbedingt einen Blick auf »Tiere« von Simon Beckett werfen! In diesem
spannenden Buch dreht sich alles um die komplexe Beziehung zwischen Menschen,
die zum Nachdenken anregt. Beckett schafft es, eine unverwechselbare Atmosphäre
zu erzeugen, die uns in die Welt eines Psychopathen eintauchen lässt, der
eigentlich nichts weiter als ein armes, bedeutungsloses Würstchen ist. Egal,
nur etwas über Psychopathen gewünscht wird oder einfach gute Unterhaltung,
diese Lektüre wird gefallen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 20. November 2024 2024-11-20 14:46:55