Der vor kurzem in Siedler-Verlag erschienene Titel von Anne Applebaum wirft
einen weiteren fundierten Blick auf die aktuell vorhandene Gefährdung der
Demokratie. Seit nunmehr fast vier Jahrzehnten bewegt sich die gebürtige
US-Amerikanerin in osteuropäischen Gefilden, hat in Polen beruflich und privat
ihr europäisches Zuhause gefunden. Mit ruhigem Gewissen darf man sie als
"Insiderin" bezeichnen. Sie lernte Russland und die Staaten Osteuropas
bereits vor Glasnost uns Perestroika kennen. Etliche ihrer Bücher befassen sich
mit der Geschichte dieser Region und mit den krisenhaften Erscheinungen im
Umgang und Werden der Demokratie bzw. die jeweilige Sichtweise auf Herrschaft.
Für ihr Lebenswerk wurde ihr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2024
zugesprochen.
Das vorliegende Wer widmet sich der zentralen Frage: Was eint die autoritären
Herrscher? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen sie und die von ihnen
regierten Staaten auf? Inhaltlich kompakt, dafür umso präziser gelingt der
Autorin ein Überblick zu den modernen Autokratien. Dabei spielen nicht nur
China, Russland und der Iran eine Rolle, sondern darüber hinaus auch weitere
(weniger beachtete) Staaten, wie Venezuela, Kuba und Zimbabwe, um nur einige zu
nennen. Applebaum verdeutlicht: Von den jeweiligen Zielen, der Struktur und den
Erscheinungsformen der Autokratie haben die Staaten wenig gemeinsam. Was sie
eint, ist die Ablehnung der liberalen Demokratie, des "globalen
Westens". Hierzu entstanden sukzessive ausgeklügelte Netzwerke, die
inhaltlich dargestellt und besprochen werden.
Fazit
Demokratie in der Krise. Tagtäglich können wir es in den Nachrichten sehen und
hören, in der Presse lesen. Nicht nur global gerät der Weg der Demokratie ins
Schlingern, auch in Deutschland und etlichen europäischen Nachbarstaaten
besteht Handlungsbedarf. Im vorliegenden Buch lenkt Anne Applebaum den Blick von
außen auf die liberale Demokratie. Sie betrachtet, wie ein Netzwerk
autokratischer Herrscher den Druck insbesondere auf die westlichen Demokratien
verstärkt. Wirtschaftliche Interessen, zudem die Festigung eigener Macht nach
innen, aber auch expansorische "Gelüste" spielen eine Rolle. Putin
und Xi Jinping stehen dabei im Zentrum des Handelns.
Sachlich, aber keineswegs leidenschaftslos beschreibt Applebaum welche
gemeinsamen Interessen die "Achse der Autokraten" leitet und fordert
nicht zuletzt mit gutem Recht: "Demokraten, vereinigt euch!" (so der
Titel des Epilogs). Wir alle, als Bürger einer parlamentarischen Demokratie
sind aufgefordert uns zu entscheiden, wo unser Weg hinführen soll. Demokratie
ist keine Selbstverständlichkeit! An verschiedenen Stellen weist die Autorin
auf die Gefährdung der Demokratie von innen hin. Donald Trump in den USA steht
hierbei im Fokus und die politisch extremistischen Parteien in unterschiedlichen
europäischen Ländern schlagen in die gleiche Kerbe.
Natürlich merkt man den Positionen von Anne Applebaum ihre Herkunft als
US-Amerikanerin an. Wenn es denn etwas zu kritisieren gibt, dann hätte ich mir
eine kritischere Reflexion der US-Außenpolitik in der Vergangenheit gewünscht.
Interessengeleitetes Handeln und der eigene Umgang mit den Menschenrechten
bieten phasenweise Anlass zur Kritik. Das spricht aber keineswegs für ein
generelles Infragestellen der liberalen Demokratie!
Ich empfinde das vorliegende Buch gelungen und kann eine Lektüre auf jeden Fall
empfehlen!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 07. November 2024 2024-11-07 17:02:36