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Steven Levitsky, Daniel Ziblatt: Die Tyrannei der Minderheit

Die Tyrannei der Minderheit

von Steven Levitsky, Daniel Ziblatt
Verlag: Deutsche Verlagsanstalt [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-421-07003-6

Preis: 26,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. Dezember 2024]
Steven Levitsky und Daniel Ziblatt sind renommierte Hochschullehrer an der US-amerikanischen Harvard-University. Als Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt "Regierungslehre" befassen sie sich mit verschiedenen Aspekten rund um das Thema "Demokratie". Ihr Werk: Wie Demokratien sterben (die deutsche Ausgabe ist erschienen 2018 ebenfalls im DVA-Verlag), wurde bereits zum Bestseller. Kommen Demokratien absolut perfekt daher? Keineswegs! Am Beispiel der US-amerikanischen Demokratie und deren Stolperfallen nehmen sie wesentliche Schwachstellen aufs Korn.

Letztendlich dreht es sich um die Grundpfeiler einer Demokratie und deren Verankerung in der amerikanischen Verfassung. Die erste geschriebene Verfassung (1787 verabschiedet und 1789 in Kraft getreten) galt stets als Musterbeispiel für westliche Demokratien. Seit der Präsidentschaft Donald Trumps und dem Sturm auf das Kapitol in Washington (D.C.) verunsicherte die Tatsache, dass die Republikaner als eine der beiden großen staatstragenden Parteien keine Veranlassung sahen, den Angriff auf das Kapitol zu verurteilen. Vielmehr versammelten sich viele hinter dem abgewählten Präsidenten. Die Nation und mit ihr die Demokratie geriet ins Trudeln. Levitsky und Ziblatt beschäftigen sich inhaltlich tiefgreifend mit der Verfassung und gelangen zur Erkenntnis, dass die Verfassung reformbedürftig erscheint.

Beeindruckend kommentieren sie die Entstehungsgeschichte der amerikanischen Verfassung, stellen dabei aber heraus, dass das verfassungsgebende Gremium stets auf Kompromisse aus sein musste und genau das stellen sie als Manko heraus. Eine Verfassung, die allzu oft die zweitbeste Lösung berücksichtigen musste. Junge Demokratien konnten (und haben) sich ein Beispiel nehmen, die Inhalte jedoch moderner gestalten und haben mittlerweile bewiesen, dass es funktioniert.

Amerika als Sonderfall: Welche Bereiche sehen Levitsky und Ziblatt insbesondere als reformbedürftig an? Das bestehende Präsidialsystem (Wahlmänner-Prinzip), das Zweikammersystem (Senat, Repräsentantenhaus) durch den nicht-repräsentativen Zuschnitt (degressive Proportionalität), den Filibuster als legislative Minderheitsvetorecht und seine Konsequenzen, lebenslange Amtszeit der obersten Richter, kompliziertes/umständliches Verfahren der Wähler-Registrierung und extrem schwer zu ändernde Verfassung (qualifizierte Mehrheiten in beiden Kammern und Zustimmung von 75% der Bundesstaaten als Voraussetzung). Im letzten Abschnitt (Die Demokratie demokratisieren) unterbreiten sie Lösungsmöglichkeiten.
Fazit
"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind." ("No one pretends, that democracy is perfect or all-wise. Indeed, it has been said that democracy is the worst form of government except those other forms that have been tried from time to time.") bemerkte Winston Churchill bereits 1947 spitzfindig. Auch wenn sich das vorliegende Werk von Steven Levitsky und Daniel Ziblatt überwiegend mit der US-Demokratie auseinandersetzt, es hat eine inspirierende Wirkung. Immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt: Wie regelt unser Grundgesetz Vergleichbares? Machen wir es besser?

Alleine schon von daher sei dies gut zu lesende Buch mit ordentlich recherchiertem inhaltlichen Tiefgang einer breiten Leserschaft empfohlen! Viele Aspekte einer funktionierenden Demokratie werden angesprochen und lassen sich in andere Ausprägungen liberaler Demokratien ohne weiteres transferieren, so auch in die unsrige. Kern aller Entscheidungen ist den wahlberechtigten Bürgern eines Landes anheim gestellt, so legt es Artikel 20 unseres Grundgesetzes fest ("Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."...). Das Wahlrecht spielt hierbei eine große, eine entscheidende Rolle.

Ich schreibe die Buchkritik am Vorabend der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen (bin demzufolge spät dran) und blicke, wie sicherlich Viele, gespannt auf die Ergebnisse, in der knapp 5 Millionen Wahlberechtigte (also gut 8% der wahlberechtigten Bundesbürger) über die Besetzung der Landtage entscheiden. Von richtungsweisenden Wahlen ist die Rede und in der Tat verheißen diese Abstimmungen komplizierte politische Prozesse im Anschluss, wenn man den Umfragen im Vorfeld folgt.

Spannung ist angesagt, auch in Bezug auf die Konsequenzen in unserer Demokratie. Abschließend sei noch ein Zitat des 16. US-Präsidenten Abraham Lincoln angeführt: "Wahlen gehören den Menschen. Es ist ihre Entscheidung. Und wenn sie sich entscheiden, dem Feuer den Rücken zuzukehren und sich den Hintern zu verbrennen, dann müssen sie nachher eben auf ihren Blasen sitzen." Hoffen wir, dass es weniger schmerzhaft wird...
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Vorgeschlagen von Dietmar Langusch [Profil]
veröffentlicht am 02. September 2024

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