Steven Levitsky und Daniel Ziblatt sind renommierte Hochschullehrer an der
US-amerikanischen Harvard-University. Als Politikwissenschaftler mit dem
Schwerpunkt "Regierungslehre" befassen sie sich mit verschiedenen
Aspekten rund um das Thema "Demokratie". Ihr Werk: Wie Demokratien
sterben (die deutsche Ausgabe ist erschienen 2018 ebenfalls im DVA-Verlag),
wurde bereits zum Bestseller. Kommen Demokratien absolut perfekt daher?
Keineswegs! Am Beispiel der US-amerikanischen Demokratie und deren Stolperfallen
nehmen sie wesentliche Schwachstellen aufs Korn.
Letztendlich dreht es sich um die Grundpfeiler einer Demokratie und deren
Verankerung in der amerikanischen Verfassung. Die erste geschriebene Verfassung
(1787 verabschiedet und 1789 in Kraft getreten) galt stets als Musterbeispiel
für westliche Demokratien. Seit der Präsidentschaft Donald Trumps und dem
Sturm auf das Kapitol in Washington (D.C.) verunsicherte die Tatsache, dass die
Republikaner als eine der beiden großen staatstragenden Parteien keine
Veranlassung sahen, den Angriff auf das Kapitol zu verurteilen. Vielmehr
versammelten sich viele hinter dem abgewählten Präsidenten. Die Nation und mit
ihr die Demokratie geriet ins Trudeln. Levitsky und Ziblatt beschäftigen sich
inhaltlich tiefgreifend mit der Verfassung und gelangen zur Erkenntnis, dass die
Verfassung reformbedürftig erscheint.
Beeindruckend kommentieren sie die Entstehungsgeschichte der amerikanischen
Verfassung, stellen dabei aber heraus, dass das verfassungsgebende Gremium stets
auf Kompromisse aus sein musste und genau das stellen sie als Manko heraus. Eine
Verfassung, die allzu oft die zweitbeste Lösung berücksichtigen musste. Junge
Demokratien konnten (und haben) sich ein Beispiel nehmen, die Inhalte jedoch
moderner gestalten und haben mittlerweile bewiesen, dass es funktioniert.
Amerika als Sonderfall: Welche Bereiche sehen Levitsky und Ziblatt insbesondere
als reformbedürftig an? Das bestehende Präsidialsystem (Wahlmänner-Prinzip),
das Zweikammersystem (Senat, Repräsentantenhaus) durch den
nicht-repräsentativen Zuschnitt (degressive Proportionalität), den Filibuster
als legislative Minderheitsvetorecht und seine Konsequenzen, lebenslange
Amtszeit der obersten Richter, kompliziertes/umständliches Verfahren der
Wähler-Registrierung und extrem schwer zu ändernde Verfassung (qualifizierte
Mehrheiten in beiden Kammern und Zustimmung von 75% der Bundesstaaten als
Voraussetzung). Im letzten Abschnitt (Die Demokratie demokratisieren)
unterbreiten sie Lösungsmöglichkeiten.
Fazit
"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all
den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
("No one pretends, that democracy is perfect or all-wise. Indeed, it has
been said that democracy is the worst form of government except those other
forms that have been tried from time to time.") bemerkte Winston Churchill
bereits 1947 spitzfindig. Auch wenn sich das vorliegende Werk von Steven
Levitsky und Daniel Ziblatt überwiegend mit der US-Demokratie auseinandersetzt,
es hat eine inspirierende Wirkung. Immer wieder habe ich mich beim Lesen
gefragt: Wie regelt unser Grundgesetz Vergleichbares? Machen wir es besser?
Alleine schon von daher sei dies gut zu lesende Buch mit ordentlich
recherchiertem inhaltlichen Tiefgang einer breiten Leserschaft empfohlen! Viele
Aspekte einer funktionierenden Demokratie werden angesprochen und lassen sich in
andere Ausprägungen liberaler Demokratien ohne weiteres transferieren, so auch
in die unsrige. Kern aller Entscheidungen ist den wahlberechtigten Bürgern
eines Landes anheim gestellt, so legt es Artikel 20 unseres Grundgesetzes fest
("Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus."...). Das Wahlrecht spielt
hierbei eine große, eine entscheidende Rolle.
Ich schreibe die Buchkritik am Vorabend der Landtagswahlen in Thüringen und
Sachsen (bin demzufolge spät dran) und blicke, wie sicherlich Viele, gespannt
auf die Ergebnisse, in der knapp 5 Millionen Wahlberechtigte (also gut 8% der
wahlberechtigten Bundesbürger) über die Besetzung der Landtage entscheiden.
Von richtungsweisenden Wahlen ist die Rede und in der Tat verheißen diese
Abstimmungen komplizierte politische Prozesse im Anschluss, wenn man den
Umfragen im Vorfeld folgt.
Spannung ist angesagt, auch in Bezug auf die Konsequenzen in unserer Demokratie.
Abschließend sei noch ein Zitat des 16. US-Präsidenten Abraham Lincoln
angeführt: "Wahlen gehören den Menschen. Es ist ihre Entscheidung. Und
wenn sie sich entscheiden, dem Feuer den Rücken zuzukehren und sich den Hintern
zu verbrennen, dann müssen sie nachher eben auf ihren Blasen sitzen."
Hoffen wir, dass es weniger schmerzhaft wird...
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 02. September 2024 2024-09-02 20:32:47