Dieser Roman von Domenico Müllensiefen ist die Momentaufnahme eines Stücks
Deutschland, wie sie viele Bürger der ehemaligen DDR nach der Wende erlebt
haben. Der Autor macht den Versuch, der Ursache auf den Grund zu gehen, warum im
Osten Deutschlands die Ansichten so vieler Bürger offenbar rechts sind.
In diesem unterhaltsamen Roman analysiert Müllensiefen nicht nur die
politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach der Wiedervereinigung,
sondern auch die tieferliegenden historischen und kulturellen Prägungen, die
das Denken und Handeln der Menschen in den neuen Bundesländern beeinflussen. Er
beleuchtet die Enttäuschungen und Hoffnungen der Bürger und setzt sich
intensiv mit der Frage auseinander, wie sich ihre Lebensbedingungen und
Erwartungen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. Durch persönliche
Erlebnisse und akribische Recherchen gelingt es dem Autor, ein umfassendes Bild
des heutigen Ostdeutschlands zu zeichnen und den Leser in eine facettenreiche
und oft widersprüchliche Welt zu entführen.
Der Roman ist eine Aneinanderreihung von Ereignissen im Leben eines jungen
Mannes. Er erzählt uns die Geschichten in erster Person und trotzdem weiß man
nicht, ob es sich um den Protagonisten handelt oder nicht. Die Erzählweise ist
an vielen Stellen humorvoll, die Ereignisse sind aus dem Leben gegriffen und
spiegeln sicherlich das Gefühl vieler Leser wider. An so mancher Stelle ist man
geneigt zuzustimmen, weil man so etwas oder so ähnliches selbst schon erlebt
hat. Man kennt also solch eine Szene oder solch ein Gespräch durchaus aus
eigener Erfahrung. Das finde ich schön an diesem Roman.
Leider hat mir in diesem Roman aber die Dramaturgie gefehlt. Wenn es einen
Protagonisten geben sollte, dann erfährt man nicht dessen Wünsche und Ziele.
Er durchlebt auch keine Konflikte. Es stellt sich ihm keiner und nichts in den
Weg, außer das Leben selbst. Er schildert ja nur, was in seinem Leben passiert
als Verkäufer in einer Drehspießbude. Dazu gehört z.B. ein Kapitel über
Fußball. Nicht mein Ding. Wenn ich Stammtischgelaber über Fußball hören
will, dann kann ich in die Kneipe an der Ecke gehen und muss das nicht in einem
Roman nachlesen.
Die Klärung der Fragen, warum Steffi vor zwanzig Jahren verschwunden war oder
warum sich Vanessa vor zwanzig Jahren das Leben genommen hatte, schwächelt
etwas, wird zu spät ausgespielt, als dass sie die Geschichte noch spannend
machen können. Ebenso misslich empfinde ich den Umstand, dass viele Absätze so
lang sind, dass sie über eine Seite hinausgehen. Das ist sehr lese-unfreundlich
gestaltet und Domenico Müllensiefen scheint damit den Augen der Leser keine
Pause zu gönnen. Doch die fehlende Spannung ersetzt er dadurch nicht.
Letztendlich haben mich aber die Überraschungen im Roman und vor allem sein
faszinierendes Ende mit der fehlenden Kontur versöhnt. Die Informationen, die
den Roman dann fast zu einem Krimi werden lassen, möchte man dann schließlich
doch aufsaugen wie ein Schwamm wenige Tropfen Wasser.
Fazit
Das Buch ist durchaus zu empfehlen für Leser, die gerne voller Humor und
Sarkasmus etwas lesen möchten, was sie selbst vielleicht auch schon mal erlebt
haben, dem sie zustimmen können. Wer am Ende des Romans sagen möchte "Ja,
so isses.", der wird sich mit dem Roman wohlfühlen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 14. August 2024 2024-08-14 17:22:52