Einen sehr außergewöhnlichen Jugendroman präsentiert der dtv-Verlag (Reihe
Hanser) mit dem Titel "Elektrizität und Himmelsfische". Hinzu kommt,
dass die beiden Autoren unter einem Pseudonym veröffentlichen, um ihre wahre
Identität zu schützen. Die Originalausgabe wurde im Jahre 2022 in Russland
veröffentlicht, was heute nicht mehr vorstellbar ist. Einen "Roman von
zeitloser Gültigkeit über Krieg und diejenigen, die das Leid am härtesten
trifft: Kinder und Jugendliche" verspricht der Verlag auf der Rückseite
des Covers. Ein Maßstab.
Marzia (so der Name des 14-jährigen Mädchens im Roman) und der Schriftsteller
begegnen sich im Motel "Ruhebank", wo sie mit ihrer Familie wartet,
bis der Weg zur Grenze ohne Beschuss möglich ist. Vor der Abfahrt übergibt
Marzia ihm zwei Umschläge. Den ersten soll er öffnen, wenn sie sich nach einer
Woche noch nicht bei ihm gemeldet hat, den zweiten dann, wenn ein Monat ohne
Nachricht vergangen ist. Als Marzia eine Woche lang nichts von sich hören
lässt, öffnet A. Bulbenko den Umschlag und findet Marias Notizen über die
bisherige Flucht von zu Hause. Als "Schmierzettel" nutzt sie die
mehrseitige Aufbauanleitung für ein Kinderbett, das aufgebaut werden sollte,
bevor sich die Familie (Großeltern, Eltern und eine kleine Schwester) sich in
einem völlig überladenen PKW auf die Flucht vor den Angriffen begeben.
14 Blätter umfasst die Aufbauanleitung, entsprechend gliedert sich diese
"Roadstory" (ergänzt um ein Vorwort und einen Epilog) auch in 14
Abschnitte, die besonderen Erlebnissen gewidmet sind, die Marzia und ihre große
Familie während der Fahrt erleben.
Fazit
Es handelt sich um ein ungewöhnliches Buch in mehrfacher Hinsicht. Verfasst
wurde es in jugendlich-frischer Sprache, die dem Alter der fiktiven Autorin
Marzia entspricht. Es lässt sich also gut und flüssig lesen. Und trotzdem bin
ich bei der Lektüre immer wieder ins Stocken geraten. Da ist der teilweise
scharfe Kontrast zwischen dem genervten Reagieren einer pubertierenden
14-Jährigen auf das beengte Zusammensein mit den Erwachsenen und der kleinen
Schwester und den zum Teil rätselhaft anmutenden Geschichten. Rätselhaft
jedoch nur auf den ersten Blick, denn schlussendlich wird klar: Die Familie
befindet sich nicht auf einem Ausflug, sondern auf der Flucht aus einem
Kriegsgebiet.
Die Geschichte dieses Buches wirkt nach und das offene Ende lädt zum Nachdenken
ein. Und in der Tat: Dieser Roman ist von zeitloser Gültigkeit - der
Leserschaft wurde nicht zu viel versprochen!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 13. August 2024 2024-08-13 09:42:10