Mit diesem Roman gelingt Lotte Kinskofer ein fesselnder Krimi, der in die
"goldenen" zwanziger Jahre entführt. Doch von dem
"goldenen" bleibt nicht viel, denn er spiegelt die angespannte
politische Lage der 1920er Jahre und den aufkommenden Nationalsozialismus im
Milieu der einfachen Bürger wider. Mit viel Geschick strickt sie aus den
historischen Hintergründe eine spannende Geschichte. Im Mai 1925 wurde die
junge Vroni Haberl tot aufgefunden – erhängt an einem Baum auf der
Schillerwiese an der Donau in Regensburg. Die Umstände ihres Todes geben jedoch
Rätsel auf. Trotz des ersten Anscheins eines Selbstmordes werfen bestimmte
Details Fragen auf. Nicht zu vergessen ist, dass die Schillerwiese historisch
als alte Hinrichtungsstätte der Stadt bekannt ist.
Für den Münchner Oberkommissar Benedikt Wurzer sollte diese Angelegenheit von
keiner Bedeutung sein. Zusammen mit seiner Frau stattet er seiner verheirateten
Tochter Anna in Regensburg einen Besuch ab, bevor sie ihre geplante
Sommerfrische, die sie vorverlegt haben, antreten wollen. Anna nimmt den Tod
ihrer Nachbarin ernst, zu ernst vielleicht, da es mehr als nur eine
nachbarschaftliche Verbindung gibt. Die Umstände erscheinen ihr mehr als
fragwürdig. Wie könnte Vroni, eine Mutter, ihren zwölfjährigen Sohn Karl
schutzlos in der Welt zurücklassen? Kommissar Wurzer wird erst aufmerksam, als
Anna unter mysteriösen Begebenheiten spurlos verschwindet und die
Gleichgültigkeit seiner Regensburger Kollegen ebenso bedrückend ist, wie der
angebliche Suizid der jungen Frau.
Lotte Kinskofer präsentiert die Handlung ihrer Geschichte mit einer klaren und
lebhaften Chronologie, wobei sie in jedem Kapitel das Datum und die Tageszeit
angibt. Dies verleiht dem Leser einen angenehmen Überblick und erleichtert das
Eintauchen in die Erzählwelt. Die Kapitel sind bewusst kurz gehalten – in der
Regel umfassen sie nur eine bis drei Seiten –, was das Lesetempo beschleunigt
und für eine erfrischend dynamische Leseerfahrung sorgt.
Die historischen Ereignisse werden mit einer beeindruckenden Detailtreue und
Faktenreichtum lebendig gemacht. Lotte Kinskofer gelingt es meisterhaft, das
Regensburg von einst in den Vorstellungen der Leserschaft zu rekonstruieren. Die
Autorin wählt bewusst eine zurückhaltende Verwendung der direkten Rede und
konzentriert sich stattdessen auf eine fesselnde Erzählweise, welche die ersten
Kapitel dominiert. Der regionale Dialekt verstärkt das immersive Erlebnis,
obwohl dessen Einsatz sinnvollerweise auf die Dialoge hätte beschränkt bleiben
können. Von einem Erzähler erwartet man eine klare, dialektfreie Sprache, um
die Historie präzise und verständlich zu vermitteln.
In einer Zeit, in der die Schatten der Vergangenheit gelegentlich aufzukeimen
scheinen, dient dieser Roman als kraftvolle Erinnerung an die Wichtigkeit von
Wachsamkeit und Zuversicht. Er ermutigt uns dazu, aus der Geschichte zu lernen
und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der solch dunkle Kapitel
unwiderruflich der Vergangenheit angehören.
Fazit
»Schillerwiese« – ein Kriminalroman, der in leidenschaftlicher Hingabe an
die Wahrheit und die zutiefst bewegte politische Landschaft der 1920er Jahre in
Regensburg geschmiedet wurde. Mit jeder Seite, die man umblättert, spürt man
die intensive Recherche und die feurige Verbindung zur historischen Realität,
die diesem Kriminalroman seine fesselnde Authentizität verleiht.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 21. März 2024 2024-03-21 09:38:55