Hervorragende Einleitung ins Thema zur differenzierten Betrachtung
Die "narzisstische Störung" ist aktuell "in aller Munde".
Was, natürlich, eine negative Konnotation in sich trägt und, man ahnt es, in
dieser Verallgemeinerung natürlich nicht zutrifft. Aber gerade die Titulierung
als "Narzisst" hat eben auch etwas Griffiges. Es ist kaum ein Kraut
dagegen gewachsen, und so kann man sich mit dieser Diagnose als
"Narzisst" bequem zurücklehnen, oder, von der anderen Seite her
betrachtet, man kann damit Menschen gut "abstempeln" und ihre
Meinungen damit ignorieren.
"Narzissmus ist das Zauberwort unserer heutigen Zeit, mit dem wir alles
Unangenehme, das uns durch andere Menschen widerfährt, scheinbar objektiv
erklären können".
Und dem ist einfach nicht so. Wie Eidenschink in diesem vom Umfang her recht
schmalen, vom breiten Inhalt her aber umfassend betrachtetem Ansatz her vor die
Augen von Lesern und Leserinnen führt. Durch die Betrachtung des Menschen als
"Person in Nöten" gelingt zunächst die "zur-Seite-Legung"
von Bewertungen im Sinne von "gut und böse (Narzissmus)" oder
"richtig und falsch" (Narzisst) oder "feindlich und zu
meiden" (da kein Kraut dagegen gewachsen ist). Und ebenso legt Eidenschink
mit seiner Definition von "narzisstischer Not" eine sehr gangbare und
verständliche Grundlage für den Angang, solche Nöte real zu erkennen und
gemeinsam damit Umgang zu finden.
"Die Not besteht darin, dass man wenig bis keine innere Orientierung hat.
Man spürt nicht, was man will, sondern man spürt, was man denkt, was man
spüren sollte."
In der Folge kreist die Not daher gar nicht um die (egozentrischen) eigenen
Wünsche, sondern um die Zielsetzung, dass man sich als bedeutsam empfindet, vor
allem aber die Kontrolle hat. Über alles und jedes. Der Mensch
"konstruiert" aufgrund dieses "Drucks" und als
Schutzfunktion ein Bild von sich selbst, hinter dem der emotionale Anteil, der
Zugang zu sich selbst, verborgen bleibt. Wie bei jedem Schutzmechanismus beruht
auch dieser letztlich darauf, zu meinen, den Schmerz des "echten
Spiegels" seiner selbst nicht ertragen zu können. Es zählt nur die
"erfolgreiche Anpassung an das, was man meint, was von einem erwartet
wird".
Was dabei die narzisstische Störung so schwierig für alle Beteiligten macht,
ist, dass das "Leid exportiert wird". Man hat die Kunst
perfektioniert, das eigene Leiden nicht zu spüren (außer bei massiven
narzisstischen Kränkungen wie Verlassen werden oder den eigenen Tod zu
bedenken), sondern es anderen aufzubürden. Der Narzisst "lässt
leiden".
Und je weniger "Handwerkszeug" zur Verfügung steht in der eigenen Not
oder als die Person, auf die "Leid ausgelagert wird", desto mehr ein
jedem innewohnender Narzissmus virulent wird und um sich greift, desto
"gestresster" ist dann nicht nur der Einzelne, sondern die
Gesellschaft am Ende gleich mit (was man aktuell bestens validieren kann).
"Fehlt uns das Verständnis, wie individuelle und soziale Nöte einander
bedingen, werden wir für die Gegenwart blind und sind der Zukunft
ausgeliefert".
Und genau hier steuert Eidenschink gegen. Nicht mit allgemeinen Betrachtungen,
sondern überaus kleinteilig im Blick auf so ziemlich jeden Bereich des
alltäglichen Lebens, der Gefährdungen in sich trägt. Und ebenso gelungen ist,
dass Eidenschink zunächst damit beginnt, wie man andere in narzisstische Nöte
führt (in der Kindererziehung bereits), wie man sein eigenes Leben narzisstisch
ausrichtet und wie man das eigene Leiden durch einen Narzissten noch
befördert.
Was zunächst unlogisch klingt für ein Handbuch gegen narzisstische Nöte
entpuppt sich bei der Lektüre in diesem ersten Teil als eine sehr
verständliche und kompetente "Unterrichtung" in das, was
narzisstische Nöte sind, wie man sie bemerkt und wie sich diese anfühlen.
Weiß man dann, wie sich narzisstische Nöte aufbauen und verstärken und wer
alles dazu beiträgt, bietet der zweite Teil des Werkes eine Vielzahl von
Lösungs-, zumindest Minderungsstrategien, die man gegen den eigenen Narzissmus
ebenso umgehend praktisch ins Felde führen kann, wie gegen narzisstische
Versuche anderer, deren Leid "auszulagern".
Fazit
Eine hervorragende, fundierte, verständliche Lektüre zu einer der zunehmend
größten inneren Nöte der Gegenwart.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Januar 2024 2024-01-08 16:31:27