Dunkle Schatten der Vergangenheit
"Er wünscht sich weit weg. In eine andre, bessere Welt. Hält sich am
Stoff fest. Dann spürt er, wie der Mann seine Decke zur Seite
schlägt".
Der Prolog verrät, zumindest auf den ersten Blick, Lesern und Leserinnen
bereits den Hintergrund, das Motiv dessen aus der Vergangenheit, was in der
Gegenwart reichlich brutal und obskur vonstattengeht. Eine Ahnung und ein
Vorwissen, das Kommissar Knudsen sicherlich gerne auch zur Verfügung hätte,
als er den ersten Tatort betritt. Der sich in kurzer Zeit nach vorne hin schon
bald als nur einen von nicht wenigen Tatorten sehr "kreativer" und
brutaler Morde herausstellen wird.
"Du musst das Wasser sehen, wenn der Durst kommt. Klares, kaltes
Wasser".
Nur dass der Mann namens Tarnow sich in keiner Form mehr rühren kann. Egal, wie
er sich auch bemühen wird. Was nur eine der Tötungsarten ist, die der
Eindringling auf Lager hat. Andere, ebenso perfide und grausame Morde werden
folgen. Und an jedem Tatort hinterlässt der Mörder groß und ins Auge fallend
an die Wand geschrieben mysteriöse, fast philosophisch klingende
Kurznachrichten.
Knudsen aber tappt im Dunklen. Überaus. Er findet zunächst weder ähnliche
Tathergänge in den Akten, noch eine erkennbare Verbindung zwischen den Opfern
noch hat er eine Idee, welches Motiv hinter der Mordserie stecken könnte. Eher
zufällig bringt ihn sein väterlicher Freund, Oke Anderson, der
"Lotse", einer, der sich in allen Winkeln Altonas und den
"Elbgeschichten" auskennt, schrittweise auf eine Idee.
Ein überaus düsterer Krimi ist es von der Atmosphäre her, den die beiden
Autoren als "Schattenmann" auf den Weg bringen. Zu einem Thema des
Umgangs mit Kindern in gewissen "Institutionen" ("Das kalte
Haus" im Roman), das in den letzten Jahren, richtig und wichtig, durchaus
mehr und mehr Thema der öffentlichen Diskussion und der auch fiktionalen
Literatur geworden ist. Ein Thema, das immer bei der Lektüre an den Nerven
zehrt, wie auch die plastisch geschilderten Morde im Roman durchaus hier und da
gute Nerven bei Lesern und Leserinnen benötigen.
Die Irrungen und Wirrungen der Ermittlungen, die düstere Stimmung halten bei
der Lektüre spielend Tempo und Spannung aufrecht, auch wenn es eine ganze Weile
dauert, bis die Figuren etwas griffiger und vertrauter werden und die Rollen
mancher Nebenfiguren (jener Besucher beim Abendessen z.B., der schnell und
schnellen Schrittes seinen großen Körper entfernt, als ihm bekannt wird, das
Knudsen Kommissar ist) klarer vor Augen treten.
Die Grausamkeit, zu der Menschen fähig sind, einfach so oder aus tiefliegenden
Rachegefühlen heraus, die ist allerdings dabei stetig präsent und nicht
einfach zu verkraften.
Fazit
Eine flüssige, in den Bann ziehende Lektüre, die hier und da den Zugang zu den
Protagonisten nicht immer einfach gestaltet, aber jederzeit Spannung zu bieten
hat.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. November 2023 2023-11-24 13:37:47