Ruhig, mit hervorragendem Stil und dennoch düster verfasst
Auch wenn Nesser seinen "van Veeteren" in Rente geschickt hat, in
Maardam, der überschaubaren Stadt, ist damit natürlich nicht das Verbrechen,
die Gefahr in den Ruhestand getreten. Die, und das verbindet die drei Fälle,
denen Nesser in seinem neuen Roman nachgeht, fast wie zufällig des Weges kommt.
Oder, anders gesagt, wenn jemand auch nur eine Hauch auf "Abwege"
gerät, kann das schon massive Folgen nach sich ziehen. Nicht nur bei Judith,
jenem Fall, der den meisten Raum im Werk einnimmt und bei der ein Klopfen an
Ihrer Tür zu ungeahnten Gefährdungen und Komplikationen führen wird, die am
Ende nur gewaltsam gelöst werden können.
So wie Anna Kowalska, die einen Brief an sich nimmt, der in etwa in der Mitte im
Flur zwischen Ihrer und der Nachbarin Wohnungstür sich vorfindet. Der
vielleicht gar nicht für sie bestimmt war, sondern für ebenjene Nachbarin mit
dem liederlichen Ruf. Oder der einfach als Frage an das Schicksal dort an der
Wand lehnt. Nach dem Motto: "Mal Schauen, wer den Umschlag nimmt und damit
einen düsteren Weg wählen wird". Was aber zunächst als größer
werdendes Glück der Fantasie im tristen Eheleben Annas ihr Herz mehr und mehr
höher schlagen lassen wird.
"Mein Gott, beruhige Dich. Du bist kein hysterischer Teenager mehr, du bist
eine erfahrene und ausgeglichene Frau". (Was sich als Irrtum erweisen
wird).
Sie lässt sich leiten von den kleinen Hinweisen, ist enttäuscht, als der Platz
in der Oper neben ihr leer bleibt, schafft es nicht rechtzeitig zu einem
möglichen Blind Date und verschwindet dann zunächst einfach spurlos.
Allerdings erst, als sie intensiv recherchiert, wer denn der Kavalier sein
könnte, der ihr kleine Nachrichten zukommen lässt und ebenso erst, als ihrer
Nachbarin bereits das Schicksal über den Weg gelaufen ist.
Dieser, wie die beiden anderen rätselhaften Fälle in Maardam rufen Kommissar
Jung, den Nachfolger van Veeterens, auf den Plan. Der nicht immer rechtzeitig
zur Stelle sein wird und manches an Überlegung und kleinteiligen Ermittlungen
auf dem Weg vorfinden wird, dem Verbrechen so gut es geht Einhalt gebieten zu
können.
Fazit
Mit gestochener Sprache, kraftvollen Sprachbildern und einem immer wieder
Ausloten der Tiefen hinter den Verbrechen setzt Hakan Nesser nahtlos seine
Erkundung des Bösen fort. Bringt Gefahren und Morde mitten hinein in den Alltag
der Figuren und das teils einfach nur aus Zufall. Wobei er es nicht versäumt,
auch das Lebend er Opfer ein stückweit auf den Seziertisch der Gefühle zu
legen, die Langeweile des Alltags pointiert vor die Augen von Lesern und
Leserinnen zu legen und schlussendlich aus scheinbaren Zufällen ein Geflecht
sich gegenseitig bedingender Zwangsläufigkeit zu kreieren versteht.
Eine ruhige, sehr treffende und hervorragende Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. November 2023 2023-11-24 13:33:03