Jemandem, wie Daniel Schulz, der als Journalist sowohl die Ukraine, als auch
Russland kennen gelernt hat, fällt es schwer, die aktuellen Geschehnisse zu
fassen. Seine zahlreichen Bekannten bilden ein persönliches Netzwerk, das er
gerade in diesen unruhigen Zeiten nutzt, um sich ein eigenständiges Bild über
das Geschehen zu machen. Trotz aller Gefahren, bereist er die Ukraine nach dem
Überfall der russländischen Armee auf das Nachbarland und trifft sich mit
Menschen, die den Krieg aus unterschiedlicher Perspektive erleben, dennoch die
Folgen dieses Gräuels allesamt erleiden müssen.
Vornan stellt Daniel Schulz die Schreibweise der verwendeten Begriffe und Namen
(da gibt es zwischen dem Russischen und der ukrainischen Schreibweise
Differenzen) und er erklärt, warum er häufig den Begriff
"russländisch", anstelle "russisch" verwendet.
Russländisch soll die Vielfalt des heutigen Russlands verdeutlichen, von der
"Russisch" eben auch nur eine ethnische Gruppe unter etwa 160
unterschiedlicher Gruppierungen darstellt. Der Autor beschreibt in 26 Kapiteln
seine persönlichen Erlebnisse und Eindrücke während der Reisen innerhalb der
Ukraine. Die meisten Abschnitte beziehen sich auf die Kriegszeiten (zwischen
März und Juni 2022), hier und da fließen Erkenntnisse früherer Reisen mit
ein; dies ist für eine Einordnung hilfreich und zudem klar ersichtlich.
Fazit
Ein renommierter Journalist verleiht seiner Rat- und Fassungslosigkeit ob des
herrschenden Krieges in der Ukraine in beeindruckender Manier Ausdruck. Er
begibt sich in das Land, das er seit langem kennt, in dem er zahlreiche Bekannte
und Freund:innen hat. Er spricht mit ihnen und vielen anderen Menschen, die Tag
für Tag den russländischen Angriffen ausgesetzt sind.
Es handelt sich bei der Schilderung der Reisen nicht um nüchterne
Berichterstattung. Vielmehr kommen Menschen zu Wort, die in einer extremen
Situation ihr alltägliches Leben meistern, die schildern, welche Ängste sie
plagen, welche Zuversicht und Hoffnungen sie in und mit sich tragen. Daniel
Schulz gelingt es, diese Eindrücke in Worte zu verpacken, die eindringlich
sind, die ermutigen und nachdenklich stimmen. Die Leserschaft wird sozusagen mit
auf die Reise(n) genommen und kann Anteil nehmen.
"Ich höre keine Sirenen mehr" von Daniel Schulz ist für mich eines
der beeindruckendsten Werke, die ich über den Krieg in der Ukraine gelesen habe
und ich kann es als Leseempfehlung nur jedem ans Herz legen!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 02. August 2023 2023-08-02 19:04:41