Wenn einer eine Reise tut... Alex Rühle, Literaturwissenschaftler und
Journalist der Süddeutschen Zeitung, hat sich auf den Weg gemacht. In einer
Zeit, die den Kontinent Europa zur Erschütterung brachte. Der Angriff Russlands
auf die Ukraine weckt alte Erinnerungen, die man hinter sich zu haben
glaubte.
Die Reiseberichte und und die hiermit verbundenen Eindrücke des Autoren reichen
quer durch den Kontinent, durch EU-Mitgliedsstaaten und solche, die es werden
wollen: Griechenland, Serbien, Bosnien, Italien, Slowenien, Spanien, Portugal,
Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark Schweden (wo neben München mit
Stockholm seine Wahlheimat liegt), Estland, Lettland und Litauen, Polen, Ungarn,
Rumänien und schließlich Bulgarien. Von Sofia aus geht es dann mit dem Flixbus
wieder nach Hause; in diesem Falle nach München zu seiner Familie.
Fazit
100 Tage war Alex Rühle unterwegs, weniger in den Metropolen und auch nicht zu
Besuch bei hochrangigen Vertretern der jeweiligen Regierungen. Genau das war
nicht sein Ziel. Recht so! Vielmehr wollte er Eindrücke des jeweiligen Landes
und seiner Bewohner sammeln und erfahren, was "Europa" (besser: die
Europäische Union) bedeutet. Was kommt an von der gemeinsamen Politik aus
Brüssel? Wie denkt der "einfache Bürger"? Wo drückt der Schuh? Wie
steht es um die Gemeinsamkeiten? Viele wichtige Fragen mit zahlreichen
interessanten Eindrücken. Sprachlich ausgezeichnet lesbar in kompaktem
Lesevolumen verpackt. Alle Achtung!
Daher empfehle ich das Buch von Alex Rühle durchaus, habe dennoch für mich
eine wesentliche Schwachstelle ausgemacht: Die Auswahl seiner Gesprächspartner
und daher auch die fehlende Meinungsvielfalt zu den gewählten, wichtigen
Themen. Das Spektrum der im Buch zu findenden Meinungen dürfte kaum die
landläufigen Ansichten widerspiegeln. Hier hätte ich deutlich mehr erwartet
und vermisse die Darstellung und Kommentierung kontroverser Meinungen. Genau
dies hätte aus meiner Sicht dem Buch mehr Gewicht verliehen. So bleibt es -wie
bereits gesagt- ein gut lesbares Werk, mit deutlichen Abstrichen den
Meinungspluralismus betreffend. Schade!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 11. Juni 2023 2023-06-11 13:53:52