Machiavelli gilt bis heute als einer der wichtigsten politischen Denker, ja man
kann meines Erachtens zu Recht in ihm den Begründer des modernen
Staatsbegriffes sehen, zumindest gilt er als Begründer des Begriffes der
"Staatsraison." Er hat als erster politischer Theoretiker den modernen
Staat als Institution definiert, den er als Zwangsinstrument gegen die
destruktiven Neigungen des Menschen begriffen hat. Machiavelli ist fälschlich
als reiner Vertreter einer skurpellosen Machtpolitik (Machiavellismus)
interpretiert worden, so etwa im berühmten "Antimachiavelli" von
Friedrich dem Großen. Es ist zwar richtig, dass die Selbsterhaltung des Staates
bei Machiavelli zu obersten Norm des politischen Handelns wird, er also in der
Tat den "starken Staat" fordert. Wie kaum ein anderer nach ihm hat
Machiavelli einen modernen starken Staat zur Grundlage seiner politischen
Theorie gemacht und dieses offene Aussprechen der politischen Realität hat zu
dem - unverdient - schlechten Ruf beigetragen, den er heute hat. Gerade sein
auch als "Fürstenspiegel" gelesenes Hauptwerk,
Il Principe, der Fürst" zeigt,
wie realistisch der Menschenkenner Machiavell gewesen ist. Die neueste Studie zu
seinem Staats- und Politikverständnis ist in der, auch von diesem Autor
herausgegegebenen Schrift "
Demaskierung der Macht" im
Nomos-Verlag nachzulesen. Ebendort findet sich auch die (kritische)
Auseinandersetzung mit dem Antimachiavell Friedrichs II.
Doch während "Demaskierung der Macht" ein - heute notwendiger -
Forschungsbericht zum Stand der Machiavelli-Forschung darstellt, bietet
Münklers 1984 erstmals publizierte und - leider in nicht-aktualisierter! -
Neuauflage 2004 erneut veröffentlichte Biographie bis heute die beste
deutschssprachige Biographie Machiavellis an.
Zweck einer Biographie ist es, die Wechselwirkungen zwischen der portraitierten
Person und den gesellschaftlichen, geistesgeschichtlichen, kulturellen und
wirtschaftlichen Faktoren, die ihr Wirken bestimmt haben, zu suchen. Nur in
dieser Wechselwirkung kann eine Biographie entscheidend Neues zum Verständnis
der biographierten Person beitragen.
Wenn man diesen Maßstab zur Bewertung einer Biographie zu Grunde legt, so ist
Münklers Arbeit ein schlichtes Meisterwerk. Auf 500 Seiten beschreibt er nicht
nur eine Lebens- und Wirkungsgeschichte Machiavellis, er untersucht ebenfalls im
Kapitel: "Zeitbewußtsein und Geschichtsphilosophie" das
theologisch-teleologische Geschichtsbild des Mittelalters bis zum Zusammenbruch
der Scholastik und zeigt darin das moderne Denken der Renaissance und
Machiavellis auf. Im Abschnitt: "Die politische und ökonomische Krise von
Florenz" wird die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche
Geschichte der Stadt Florenz unter den Medici aufgezeigt. Machiavellis Wirken
fällt in die Zeit zwischen 1498 und 1512, der Zeit zwischen dem Sturz der
Medici und der Rückkehr dieser Familie an die Macht, was zur Verbannung ihres
wichtigsten Gegners, Machiavelli, führte. In der Verbannung schrieb er seine
beiden Hauptwerke: Il principe und die Discorsi. Die Krise der Republik Florenz
bot also die Chance einer politischen Erneuerung, die Machiavelli vorschwebte.
Diese Erneuerung kam, indem Machiavelli ein eigenes Geschichtsmodell, eine Art
Ideologie, aufstellte, die zu einem neuen, modernen, Geschichtsbild beitrug,
welches bis heute das politische Denken bestimmt und Machiavellis Bedeutung
ausmacht.
Dies zeigt Münklers Schrift in beeindruckender Art und Weise auf. Zwar gibt es
- wie im Werk "Demaskierung der Macht" gezeigt - auch weitere
hervorragende Machiavelli-Biographien, etwa von René König oder Wolfgang
Kersting, jedoch scheint mir die vorliegende die komplexeste Lebensbeschreibung
zu sein, da sie das Wirken des bedeutenden Denkers unter den Bedingungen seiner
Zeit für mich am genauesten beschreibt.