Der Autor der jüngst beim Theiss-Verlag erschienenen Hitler-Biografie zählt
ohne jeden Zweifel zu den Experten in Sachen "Faschismusforschung".
Wolfgang Schieder zählt zu den bekannten deutschen Historikern, seine
Reputation lässt auf ein wissenschaftlich und sprachlich exzellentes Werk
hoffen, in dem sich (so ein entsprechender Vermerk des Umschlagtextes) ganz neue
Akzente finden lassen. Wie es sich für eine gute Biografie geziemt, bildet
Hitlers Altersgang den chronologischen Background für die gewählten sechs
Kapitel. Ein Blick in die Kindheit und Jugend des späteren Diktators steht zu
Beginn, bevor der Leserschaft wissenswerte Details über den Einstieg in die
Politik geboten werden und im dritten Abschnitt der Weg an die Macht ins Zentrum
der Betrachtungen rückt.
Die Durchsetzung der politischen Agenda und die Durchsetzung der
Diktaturherrschaft in den Jahren 1933 bis 1939 bereitet gleichsam das Feld für
die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts: den Zweiten Weltkrieg:
"Auslösung und Scheitern imperialistischer Vernichtungskriege hat Schieder
das betreffende Buchkapitel benannt. Nicht alleine die kriegerischen Akte gegen
Nachbarländer werden dargestellt, auch die Vernichtung der europäischen Juden
findet in diesem traurigen Kapitel seinen Stellenwert. Ein aktueller Blick auf
den Stand der Forschung zum Nationalsozialismus und insbesondere die Person
Adolf Hitlers beschließt das kompakte, lesenswerte Werk.
Fazit
Wie kann die vorliegende Biografie in die Vielzahl der Bücher zur Person Adolf
Hitlers eingeordnet werden? Lassen sich neue, bislang weniger oder gar nicht
bekannte Aspekte finden? Zweifelsohne unterstreicht Wolfgang Schieder auch mit
dem vorliegenden Buch seine sein hohes Ansehen als Historiker eindrucksvoll. Das
Buch basiert auf einer umfassenden Recherche und Analyse von historischen
Dokumenten, Archiven und Quellen, was zu einer detaillierten und fundierten
Darstellung von Hitlers Leben und politischer Karriere führt. Der Autor
verwendet zudem eine klare und gut verständliche Sprache, was das Lesen und
Verstehen des Buches erleichtert und zur Freude macht.
Kontextualisierung: Schieder stellt Hitler in einen historischen, politischen
und sozialen Kontext und zeigt, wie bestimmte Ereignisse und Entwicklungen zu
seiner Machtergreifung und zur Entstehung des nationalsozialistischen Regimes in
Deutschland beigetragen haben. Insbesondere die Betrachtungen zur ideologischen
und persönlichen Nähe der beiden faschistischen Diktatoren Adolf Hitler und
Benito Mussolini verdienen die Aufmerksamkeit der Leserschaft.
Dennoch würde ich diese neue Biografie eher in den Bereich einer gekonnten und
ausgesprochen präzisen Kommentierung bekannter Fakten über das Leben und
Wirken Adolf Hitlers einordnen. Beachtet man das "Volumen" des Buches,
stellt alleine das eine beachtliche Leistung dar. Auf etwa 270 Seiten das Leben
des (Un-)Menschen darzustellen und dabei keine wesentlichen Fakten auszulassen,
verdient größten Respekt, selbst wenn in der Tat keine
"sensationellen" Neuigkeiten darin enthalten sind.
Ein wenig überrascht hat mich die Feststellung/Kommentierung des Autoren z.B.
zum Reichstagsbrand vom 27. auf den 28.2.1933: "Wie man heute weiß, wurde
der Brand, entgegen mancher späterer Behauptungen und einem langen
Historikerstreit über die Täterschaft, allein von dem einzelgängerischen
Holländer Marinus van der Lubbe gelegt." (siehe Buch S. 108) Hier werden
die Beiträge von Backes u.a. aus dem Jahre 2008 als Beleg aufgeführt, während
die Erkenntnisse aus dem umfangreichen Buch von Benjamin Carter Hett (2016)
keine Berücksichtigung finden. Hier empfinde ich die Feststellung, die
Alleintäterschaft sei klar, doch ein wenig vorschnell und das hat mich bei der
ein oder anderen Kommentierung über den heutigen Stand der historischen
Faktenlage zumindest ein wenig vorsichtig werden lassen.
Dennoch bleibt die Feststellung: Mit der vorliegenden Hitler-Biografie ist ein
weiteres gut recherchiertes, interessantes und gut lesbares Buch gelungen, das
zur Lektüre für einen kompakten Überblick auf jeden Fall zu empfehlen ist!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 12. Mai 2023 2023-05-12 08:47:54