Breit dargestellte Machtränke im mittelalterlichen Italien
Es ist auf allen Ebenen Vorsicht geboten. Einfluss muss gesichert werden, Feinde
ausgemacht, Verbündete bei der Stange gehalten und immer alle Augen, vor allem
im Rücken, aufgehalten werden. Im Kleinen, was den eigenen Einflussbereich
angeht, innerhalb der Fürstentümer, aber auch in der Familie, im Größeren,
wenn es um die Macht im Staate geht, wenn die Borgia den Papstthron in
vielfacher Form allein für die Sicherung der eigenen Macht und des eigenen
Reichtums ausnutzen. Es muss geschickt vorgegangen werden, was Verbindungen,
Hochzeiten zwischen den Häusern und Städten angeht und es muss auch der
gewichtige Feind von außen, Karls VIII., dem es mit seinem überlegenen Heer
gelingen wird, in Italien einzufallen. Nicht ohne "innere Hilfe"
wohlgemerkt. Die der tonangebende Fürst jener Hilfe durchaus später bedauern
mag.
Es muss geachtet werden, dass es einem nicht so geht wie den beiden Brüdern,
die Nacheinander ihren Kopf verlieren. Unter grausamen Schmerzen und, natürlich
allein zu einem höheren Wohl. Wobei dies sich sehr verschieden ausdrückt, je
nachdem, in welches der Fürstentümer und Königreiche man schaut. Bis dahin,
auch die eigenen Kinder nicht unbedingt retten zu können, wenn es um das
Durchhalten für den eigenen Kopf auf dem eigenen Hals geht.
Aber die Sforza in Mailand, die Borgia in Rom (mitsamt derer der Colonna), das
Königreich Neapel mit den Aragon an der Spitze, die Condulmer in Venedig,
natürlich die Medici in Florenz (den Borgia fast ebenbürtig, bisher
jedenfalls), wohlklingende Namen mit teils langer Machtgeschichte (und
dementsprechend ohne jede Skrupel vor und hinter den Kulissen), alle beäugen
sich misstrauisch (zu Recht) gegenseitig und schmieden Ränke, Strategien,
Allianzen, Verraten einander, finden sich pragmatisch neu zusammen und werden
sich irgendwann der Frage zu stellen haben, ob man dem Ursurpator von außen
tatsächlich nicht gemeinsam begegnen oder eben jeder für sich untergehen muss.
Fazit
Drehungen und Wendungen, offene und verdeckte Handlungen, Interessen aller
Mitglieder der jeweiligen Familien und Häuser, die Strukul durchaus passend,
sachkundig und atmosphärisch dicht je in seiner Geschichte zu erzählen
versteht, auch wenn es eine Weile dauert, bis Leser und Leserinnen einigermaßen
aufgenommen haben, wer wer ist und wer mit wem gerade in welcher Form friedlich
oder feindschaftlich verbunden ist. Was für einige Längen gerade im
Anfangsteil des historischen Romans sorgt, die aber, im Lauf der Zeit, Tempo
und Fahrt dann aufnehmen und für reichlich Spannung im Lauf der Ereignisse
sorgen.
Und damit die Fortsetzung seiner epischen Betrachtung der tonangebenden Mächte
in der Renaissance in Italien vorlegt, deren Interessen, Irrungen und Wirrungen
im ersten Band bereits sich breit entfaltet hatten. In der Art und Weise der
Darbietung, der differenzierten und treffenden Sprache, bleib Strukul sich dabei
überaus treu und bietet somit eine flüssig zu lesende Lektüre, die mehr und
mehr in den Sog zieht und am Ende wie eine Art "Game of Thrones der
Realität vor Augen steht
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. April 2023 2023-04-17 15:22:02