Der Weg zur Ermächtigung und des Endes der Demokratie
Es war "das" Ereignis der frühen Tage nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten in Deutschland. Auch wenn die Schergen bereits Wohnungen
aufbrachen, Kommunisten und Sozialisten reihenweise verschwinden ließen, Juden
auf den Straßen bedrängten und der Terror spürbar in der Luft lag. Noch wurde
ein Anschein, ein Feigenblatt der parlamentarischen Demokratie gewahrt im
Reichstag, einige Wochen nach der Bestimmung Hitlers zum Reichskanzler. Doch der
Reichstagsbrand, flugs und umgehend Marinus von der Lubbe als
"Einzeltäter" in Verantwortung gestellt und zum Anlass genommen, die
"Reichstagsbrandverordnung" direkt am folgenden Tag in Kraft zu
setzen. Um sodann und ohne Abwarten alles, was politisch nicht "auf
Linie" war, zu verfolgen, verhaften, verschwinden zu lassen, auszuhebeln
und kalt zu stellen.
Dass diese "Alleintäterschaft" bereits kaum Anlass gegeben hätte,
sämtliche politischen Gegner mit Terrormaßnahmen zu überziehen und dass auch,
technisch gesehen, bereits zur damaligen Zeit erhebliche Zweifel an der
Fähigkeit eines einzelnen Mannes, in kurzer Zeit einen solchen Brand in solchem
Umfang anzufachen, im Raume standen, hat damals weder die Machthabenden
interessiert noch, und darauf verweist Soukup in seinem Werk im Besonderen, auch
die nachfolgende Geschichtsschreibung nicht sonderlich goutiert. Dass die
"Partei" am Brand beteiligt war, vielleicht sogar als konzertierte
Aktion und von der Lubbe nur als "Bauernopfer" herzuhalten hatte, ist
damals aus machtverständlichen Gründen nicht öffentlich bekannt gemacht
worden, aber auch in der Aufarbeitung der Geschichte des dritten Reiches
sträflich (vielleicht sogar bewusst) vernachlässigt worden.
"In diesen ersten vier Wochen (nach der Wahl Hitlers zum Kanzler) geschahen
Dinge, die sich in der Rückschau kaum anders als eine systematische
Vorbereitung auf den Tag des Reichstagsbrandes interpretieren lassen" -
allein die Schnelligkeit der Reaktion der Schergen der Regierung umgehend noch
in der Nacht des Brandes sprechen Bände an Vorbereitung und "Wissen um den
Zeitpunkt".
"Über die Frage aber, ob die Nazis den Brand, den sie so gut nutzten, auch
selbst gelegt haben, wird seit Jahrzehnten gestritten".
Das ist die eigentliche Leitfrage dieser sachkundigen Untersuchung und
Darstellung Soukups, innerhalb derer er minutiös den Fakten nachgeht und auch
vielfache Fehlinterpretationen späterer geschichtlicher Betrachtung aufarbeitet
(samt möglicher Motive).
Fazit
Und das ist keine bedeutungslose Randfrage der Geschichte, sondern, wie Soupup
zurecht betont, der Reichstagsbrand ist eine der folgenreichsten kriminellen
politischen Akte der Geschichte und so ist auch der spätere Umgang mit diesem
Geschehen von Interesse dahingehend, wie mit solchen historischen Ereignissen
dann faktisch Umgang gepflegt wird. Und so ist es an der Zeit, die lange Zeit
als allgemeingültig angesehene These von der "Alleintäterschaft"
differenziert und Schritt für Schritt auf den Prüfstand zu stellen. Was Soukup
überzeugend und mit frischen Erkenntnissen am Ende durchgehend gelingt.
"Im Grunde ist der negative Beweis seit Jahrzehnten erbracht".
Was nun aber jeder Leser und jede Leserin in dieser lesenswerten Lektüre für
sich selbst prüfen mag.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. April 2023 2023-04-17 15:15:16