Fundierte Betrachtungen über "Anpassungsdruck" und
"Anpassungswilligkeit"
Boris Cyrulnik ist Neuropsychiater und hat seinen Schwerpunkt in das Thema der
"Resilienz" gesetzt. Zu dem natürlicherweise auch das Thema der
"Widerstandsfähigkeit gegen den Konformismus" besteht, sei es dabei
das "Mitläufertum" oder die mangelnde Kraft und Fähigkeit,
"Einflüsterungen" kritisch gegenüberzustehen und zu widerstehen. Was
vielleicht, wie er im Vorwort schildert, mit an seinen persönlichen Erfahrungen
der Kindheit liegt. Wie doch viele beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in
Bordeaux mehr und mehr "sich anpassten" und wie ein Kleidungsstück
die "fesche Parade" und die "neue Ordnung" eben nicht nur
aus Angst, sondern auch beeindruckt übernahmen.
Wie dann, einige Jahre später, sich "schreckliche Übermenschen" in
"angenehme Zeitgenossen" verwandelten. Zeiten, in denen allerdings
nicht nur "Anpassung", sondern bei anderen eben "Widerstand"
erwuchsen. Warum das so ist, warum die einen schnell sich "nach dem
aktuellen Wind" ausrichten und andere wiederum in solchem Geschehen
umgehend in den inneren wie äußeren Widerstand gehen, auch das ist Teil der
Themen, die Cyrulnik im Werk nun behandelt. Wie auch jene inneren Entwicklungen,
die teils zu umgehend schnellen Veränderungen führen.
"Ein einfacher Satz: "Der Krieg ist vorbei", ein paar Worte auf
einem Blatt Papier mit einer Unterschrift hatten genügt, um die Einstellung zu
ändern und ein Umdenken zu bewirken".
Als Resümee aus diesen Erfahrungen als Kind zog der erwachsene und kundige
Neuropsychiater ein Axiom, das als roter Faden als Grundlage sich durch dieses
Werk nun zieht. "Wer das Abenteuer des Menschseins wagen will, muss
Selbstvertrauen entwickeln". Ein Prozess, der im besten Falle direkt beim
Aufwachsen durch die Eltern und "den Clan" beginnt, der aber auch
später im Leben, mühsamer vielleicht, durch Erfahrungswissen und ein
"sich selbst kennenlernen" noch in das Leben zu treten vermag.
Am Ende sind es jene persönlichkeitsbildenden Geschehnisse der Kindheit vor
allem, die am Ende "Konformismus oder "Non-Konformismus" als
Basis der Person in den Raum des Lebens stellen. Und so gilt es, später im
Leben, ans ich zu arbeiten, sich selbst aktiv zu entwickeln, um vom
"Vorurteil" zum "Urteil" gelangen zu können, um
"sichere Bindungen" zu erlangen und damit sich die Zeit in Ruhe nehmen
zu können, einen Gedanken in ruhe zu betrachten un abzuwägen, statt in
"unsicherer Bindung" zu verbleiben und damit anfällig zu sein und zu
bleiben für "Gewissheiten", mitsamt dem Problem, auf Vorurteile und
populistisch mit Inbrunst vorgetragene Ideen hereinzufallen. Die am Ende doch
nur vermeintlich als "Festlegungen" dem Leben scheinbare Gewissheit
vermitteln.
Was im späteren Alter einfach, da macht Cyrulnik dem Leser nichts vor, nicht
einfache Prozesse zur "Umorientierung" sein werden. Denn das
Gedächtnis und die persönlichen Erinnerungen sind "zweckorientiert"
und suchen sich in der Vergangenheit je ihre vermeintlichen Fakten, welche die
konkrete eigene Weltsicht bestätigen. Was an Inhalten allerdings ein stückweit
je aus dem Erzählfluss auf der Blaupause der Besetzung durch den
Nationalsozialismus vermittelt werden. Dem muss man als Leser und Leserin dann
auch folgen wollen, um anhand dieses praktischen Erlebens die grundlegenden
Erkenntnisse des Werkes aufnehmen zu können.
Dennoch bietet Cyrulnik ein fundiertes und tiefes Wissen um auch das eigene
Leben. Dass es der Bereitschaft auch zum Konflikt mit dem Umfeld bedarf, um zu
eigenen Positionen zu gelangen und die "emotionale Wüste" der
Erzählungen andere zu entfliehen, denen nicht Wenige des eigenen Umfelds
plötzlich beginnen, anzuhängen.
"Zum drängenden Teufel wird, wer uns zum gedankenlosen Handeln
zwingt".
Fazit
Eine interessante und wichtige Lektüre, um die eigenen inneren Prozesse des
Drangs nach Konformität zu erkennen und je zum eigenen, klaren Urteil im
Getöse der Massen dennoch gelangen zu können.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. März 2023 2023-03-17 12:54:55