Dieser Thriller von Sabine Thiesler ist in vielen Teilen mehr Roman als
Thriller. Aber mit einer solchen immensen Spannung und einem solch perfiden
Verbrechen, dass es einen von den Socken haut.
Es beginnt zunächst weitgehend harmlos. In einem italienischen Touristendorf
findet ein Dorffest statt. Es gibt Stände mit Leckereien und handwerklichen
Utensilien. Ein deutsches Ehepaar hat sich hier beim Bummeln und Stöbern
verloren. Dabei denkt sie, dass der kleine Sohn beim Vater ist. Der wiederum
glaubt, dass Jonas bei der Mutter wäre. Als sich die beiden Elternteile
schließlich wiederfinden, müssen beide mit Schrecken feststellen, dass ihr
Sohn verschwunden ist. Ihre Suche bleibt erfolglos, ebenso die Suche der Polizei
und Dorfbewohner in der darauffolgenden Nacht. Aufrufe in den sozialen Medien
und im Fernsehen bringen ihnen ihren Sohn auch nicht zurück. Er bleibt tagelang
verschwunden.
Parallel dazu lernen die Leser die überaus hübsche und erfolgreiche
Immobilienmaklerin Elena kennen. Elena hat mit ihrer Villa in Siena und ihrem
Maklerbüro ein grundsolides Auftreten. Doch in ihrem Inneren ist sie sehr
einsam. Sie zofft sich ständig mit ihre zwanzigjährigen Tochter, weil sie der
nichts aus ihrem Leben erzählen will. Sie meinet, ihrer Tochter gehen die
Abenteuer nichts an, die sie erleben möchte. Denn sie hat besondere sexuelle
Ansprüche. Sie lässt sich über eine Agentur an ähnlich interessierte Männer
vermitteln. Alles anonym und maximal für ein Wochenende. Elena liebt den Kick
dabei. Denn sie geht ein hohes Risiko ein. Was wäre, wenn Sie an einen Falschen
gelangen würde? Einer, der ihr Gewalt antun könnte und in der Anonymität
verschwindet? Gelangweilt von dem "normalen" Menschen trifft sie über
die Agentur welche, die ihr intellektuell und sexuell ebenbürtig sind. Jedes
Treffen ist für sie ein Fest.
Natürlich handelt es sich bei diesem Roman um einen Thriller. Meine obige
Eingangsbemerkung bezieht sich darauf, dass lange Zeit verborgen bleibt, wie die
verschiedenen Stränge zusammenpassen. Sabine Thiesler hat dies sehr gut
gemacht, was mir besonders gefallen hat. Schließlich gibt es neben den beiden
bereits genannten Strängen noch weitere, auch einen mit einem perfiden
Verbrechen., der die Handlungen des Täters beschreibt. Ebenso gut hat mir die
Geschichte von dem Polizeichef Neri in dem Dorf gefallen, der kurz vor der Rente
steht und dem die verschwundenen Kinder der letzten Monate schlaflose Nächte
bereiten. Er meint, er wäre für all dies nicht mehr geschaffen. Neri bildet
mit seiner Geschichte den Teil der Ermittlungen. Diese Teil ist aber nicht so
überbordend, wie er normalerweise bei Krimis üblich ist.
Es müssen erst zwei Drittel des Romans vergehen, bevor man als Leser erkennen
kann, wohin vielleicht die Reise führt. Doch diese zwei Drittel sind ja nicht
langweilig. Im Gegenteil! Die verschiedenen einzelnen Geschichten sind extrem
treibend. Das besondere italienische Lokalkolorit möchte ich gar nicht so
hervorheben. Damit wird die Geschichte rund und Italienfans werden sicherlich
bestätigen, dass es dem Leben und Flair der Toskana entspricht.
Fazit
Die Spannung wird besonders durch die kurzen Kapitel (ein bis vier Seiten)
unterstützt. Damit wird der Thriller zu einem echten Pageturner, der mir ganz
besonders viel Spaß gemacht hat. Ich wünsche ihm sehr viele Leser, die meine
Begeisterung teilen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 20. Januar 2023 2023-01-20 16:23:58