Das vorliegende Buch erfährt nunmehr bereits die dritte Auflage bei
gleichbleibendem Titel. Der bewaffnete Überfall der Russischen Föderation auf
sein Nachbarland, die Ukraine, forderte eine solche Neuauflage geradezu heraus.
Die Einschätzungen des Autoren, Carlo Masala, ist seit dem noch mehr gefragt.
Der habilitierte Wissenschaftler ist Inhaber des Lehrstuhls für internationale
Politik an der Universität der Bundeswehr und bringt sein Expertenwissen in
zahlreichen TV- und Radiosendungen, sowie in Zeitungsartikeln oder
entsprechenden Podcasts zur Kenntnis.
Dass es eine dritte Auflage (wie schon erwähnt mit gleichem Titel) gibt, macht
deutlich, dass die Weltpolitik seit Längerem in eine "Unordnung"
geraten ist. Der Autor erklärt die Zusammenhänge im vorliegenden Werk aus
seiner Sicht, fundiert und sehr gut recherchiert. Auch Carlo Masala greift das
Ende des Kalten Krieges auf, um die Illusionen des Westens offen zu legen: dem
Vormarsch liberaler Demokratien schien nichts mehr im Wege zu stehen, eigentlich
ging man von einer Art "Selbstläufer" aus. Weit gefehlt, wie der
Autor in den weiteren Darlegungen seines Buches offenbart.
Zu viele Krisenherde mit sehr unterschiedlichen Auslösern und Staaten, die in
ihrer Verfasstheit nur schwer zu einer liberalern Demokratie umzuformen waren.
Vielmehr zeigte sich: Demokratie lässt sich nicht exportieren, geschweige denn
aufoktroyieren. Die gut gemeinte Indoktrination westlicher Staaten unter der
Führung der USA schafften in der neuen, unipolaren Welt auf längere Sicht eine
Weltunordnung. Vor allem Organisationen radikal-islamistischer Natur und Staaten
wie China und Russland bilden neue Gegenpole, teils alleine, teils in nicht
ungefährlichen Koalitionen.
Dass diese staatliche Unordnung sich auf Sicht weiterhin halten wird, begründet
der Autor mit den zahlreichen neuen Herausforderungen, wobei Staatszerfall, der
zunehmende Trend zum Nationalismus und die Auswirkung zunehmender
Digitalisierung, nicht zuletzt auf sicherheitsrelevante Bereiche, die
Staatenwelt vor ungewohnte und bislang ungekannte Szenarien stellt. Anhand der
inhaltlichen Ausführungen zieht der Autor (s)ein hochinteressantes Fazit und in
der Neuausgabe folgt nunmehr ein aktuelles Kapitel über die
"Zeitenwende". Hier werden Rückschlüsse aus den Szenarien in Folge
des Ukraine-Krieges gezogen.
Fazit
Das in kompaktem Umfang geschriebene, ausgezeichnet lesbare und mit
messerscharfen Argumenten und Thesen versehene Buch, trägt zweifelsfrei die
Handschrift eines Experten erster Güte! Ohne zu indoktrinieren seziert er das
gut gemeinte, in seiner Wirkung jedoch verhängnisvolle Vorgehen "des
Westens". Natürlich lässt sich im Rückblick vieles klarer sehen, als es
die Entscheidungsträger zum Zeitpunkt der politischen Festlegungen konnten.
Dennoch wird deutlich dass guter Glaube alleine für eine bessere Welt, im Sinne
einer dem Völkerrecht verpflichteten Weltordnung, nicht realistisch zu sein
scheint.
Folgendes Zitat aus dem Fazit (S. 154) bringt es aus meiner Sicht treffend auf
den Punkt: "Eine Ordnung, die auf westlichen Werten basiert, ist so
voraussetzungsreich, dass sie viel Zeit braucht, um sich zu entwickeln.
Versuche, dies zu erzwingen oder von außen zu beschleunigen, sind bestenfalls
naiv." und wenig später schreibt er: "Eine realistische Außen- und
Sicherheitspolitik bedeutet also zunächst einmal, die gegebenen Bedingungen zu
akzeptieren und nicht länger einem Traumbild der liberalen Weltordnung
hinterherzujagen." - eine Feststellung, der kaum etwas hinzuzufügen ist.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 27. Oktober 2022 2022-10-27 20:21:34