Fast einhundert Jahre ist es her, als im Jahre 1923 die erste Demokratie auf
deutschem Boden bereits nach fünf Jahren zu scheitern drohte. Ein Jahr der
Krisen, aber auch ein Jahr das bewies, wie stabil auch junge Demokratien sein
können. Fest steht: das Krisenjahr 1923 nimmt in der deutschen Geschichte einen
ganz besonderen Platz ein.
Der Historiker und Journalist Volker Ullrich nimmt dies besondere Jahr in seinem
jüngst im C.H. Beck-Verlag erschienenem Buch genauer unter die Lupe. Dabei
betrachtet er verschiedene wesentliche inhaltliche Schwerpunkte: Die Besetzung
des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und den darauf
folgenden passiven Widerstand (Ruhrkampf), wirtschaftliche Auswirkungen des
Ruhrkampfs (Von der Inflation zur Hyperinflation), unter Beachtung nationaler
und internationaler Einflussgrößen. Weitere Kapitel widmen sich den rasanten,
teilweise chaotischen politischen Verhältnissen in Deutschland
(Regierungskrisen, Auf und Ab demokratischer Kräfte und Parteien,
separatistische (Abspaltungs-) Bewegungen innerhalb des Reiches), bevor eine
Phase der relativen Stabilisierung einsetzt und auf innen-, wie auch auf
außenpolitischem Parkett ein wenig zur Ruhe einkehrt. Nicht vergessen wird auch
die große Bedeutung der Kultur im Schatten dieser Krisen, wie der Autor das
achte Kapitel selbst benannt hat; die Golden Twenties lassen grüssen! Ein
abschließender Abschnitt widmet sich einem Ausblick und gewährt interessante
Erkenntnisse über die Fortentwicklungen, zunächst mündend in einer stabilen
Phase, bevor die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 1928/1929 mit ihren
fatalen Folgen dargestellt werden.
Fazit
Der Autor Volker Ullrich ist ein ausgewiesener Experte der neueren deutschen
Geschichte, wobei seine zweibändige Hitlerbiographie einen besonderen
Stellenwert einnehmen dürfte Dass er zu Schreiben versteht und in der Lage ist,
die Leserschaft mitzunehmen in die faszinierende Welt der Historie, beweist er
ein weiteres Mal auch mit dem vorliegenden Buch.
Wer es gewohnt ist, geschichtliche Ereignisse streng chronologisch zu behandeln,
wird hier ein flexibel reagieren müssen: es sind die inhaltlichen Schwerpunkte,
die innerhalb eines Kapitels wiederum chronologisch betrachtet werden,
stringent, schlüssig und mit der Kunst der Schwerpunktlegung auf wesentliche
Geschehnisse. So entsteht ein ausgezeichneter Überblick. Der ein oder andere
"Aha-Effekt" ist garantiert. Auch der von ihm geschlagene Bogen am
Ende des Buches und die hiermit verbundene Frage: welche Einflüsse hatten die
Krisen des Jahres 1923 auf die politische Entwicklung bis zum Jahre 1933
(Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, bieten hinreichend Stoff zum
Nachdenken.
Alles in allem ein hochinteressantes und spannendes Buch, das bei der Lektüre
keine Langeweile aufkommen lässt und einen ausgezeichneten Beitrag zur
historischen Bildung leistet - sehr empfehlenswert!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 27. Oktober 2022 2022-10-27 20:22:39