Raffiniert, spannend, intelligent verschachtelt
"Und? Zufrieden? Meine Meinung nach liegt die Entscheidung, ob man tötet
oder nicht, bei einem selbst".
Was schon eine gewisse "freie" Auslegung einer Handlung wäre, die
innerhalb eines Rechtsstaates wie Japan fragwürdig wäre. Woran sich in diesem
Schnellzug aber von Beginn an sowieso nicht alle halten. Ein Zug, der recht leer
ist. Und das hat seinen Grund. Was durchaus mit dem Auftraggeber von Lemon und
Tangerine, Minegishi, zu tun hat. Der nicht selbst im Zug ist (zumindest nicht
offen ersichtlich), der ein "Phantom" des Verbrechens ist. Und der ein
hohes Interesse an jenem Mann hat, der Lemon (Liebhaber von bestimmten
Geschichten über bestimmte Lokomotiven) und Tangerine (kühl bis ins Mark)
begleitet. Was auch nicht reibungslos abläuft. Was mit einer "Wespe"
zu tun haben könnte. Die aber eher auf zwei Beinen und ziemlich unerkannt
unterwegs wäre. Und mit jenem Koffer, der zu diesem Trio gehört, und
wundersamer Weise nicht selten den Besitzer auf der Fahrt wechselt. Was den ein
oder anderen Passagier heftig ins Schwitzen noch bringen wird.
"Profis auf Reisen", so könnte man sagen. Und das wäre ein ruhiger
Job, mögen da die beiden hartgesottenen Männer mit ihrem Begleiter denken.
Wären da nicht noch andere "Profis" an Bord mit diversen Interessen.
Nanao zum Beispiel. Leider einer, der eine wahre männliche
"Pechmarie" im Leben ist. Alles, was daneben gehen kann, geht daneben.
Wobei man Isaka dabei nicht unterschätzen sollte, denn wenn es den Leser gerade
mal wieder durchströmt, warum dem Mann einfach nichts gelingen kann,
spätestens wenn er in einen Rucksack greift, und sich ein lebendes Armband
anfängt, eng und massiv um seinen Arm zu legen. Und doch hat all dieses Pech in
Summe zumindest zur Folge, dass der Mann noch von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen
taumeln kann. Was nicht jedem Passagier im Verlauf der Fahrt noch gegeben
ist.
Vollends verblüfft aber reibt man sich dann die Augen, wenn ein kleiner,
unschuldig wirkender und brav vor sich hin sitzender Schuljunge von hinten
angegangen werden soll. Auch das treibt ein ehemaliger "Prof" voran.
Einer der wenigen im Zug ohne offiziellen Auftrag (was seine Gründe hat), aber
einer, der seine alten Kenntnisse nun aus persönlichen Gründen wieder
"ans Laufen" bringen möchte.
Auf der Blaupause eines durchaus bekannten Sujets (ein begrenzter Raum, auf den
man nicht einfach mittendrin zu- oder absteigen kann, eine übersichtliche Zahl
von Passagieren und Angestellten (doch genug, um nicht einfach so diese Personen
bestimmten Rollen zuordnen zu können) und eine beginnende Verflechtung all der
"Profis, Schulkinder und privat auf Rache sinnende Personen, von denen
nicht alle, aber mehr als eine Partei, von Minegishi gegeneinander
"beauftragt" wurden, lassen von Beginn an eine intensive Spannung in
den Waggons des Zuges in den Raum treten, die keine Sekunde nachlassen wird. Bis
dann eine Toilette von außen mit einem Draht verschlossen werden muss, damit
der Inhalt nicht zu sehr für Aufregung allenthalben sorgt.
Fazit
Das alles legt Isaka mit Tempo erzählt und trotzdem gründlich genug, die
verschiedenen Personen differenziert kennenlernen zu können, dem Leser Seite um
Seite vor Augen. Erzeugt Gefahren im rechten Moment, treibt die Geschichte
präzise erzählt ununterbrochen voran, lässt den Leser mittendrin durchaus
auch Trauern um das ein- oder andere Ereignis, was dem ein oder anderen
widerfährt und hält erst auf der letzten Seite die "schnelle Fahrt"
dann umfassend an.
Schon beim Lesen ist klar, dass dies ein Thriller ist, der nach einer Verfilmung
geradezu schreit. Die Lektüre bietet beste Unterhaltung in zwar bekannter, aber
ebenso bestens neu interpretierter "Umgebung" und mit vielfachen
Beziehungen der Protagonisten untereinander, die es bereits gab, die neu
entstehen und die nicht alle die Ankunft am Ziel erleben werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 29. Mai 2022 2022-05-29 16:47:06