Mit dem historischen Kriminalroman entführt Kertin Ehmer zum dritten Mal in die
goldenen zwanziger Jahre nach Berlin. Der außergewöhnliche Kommissar
jüdischer Herkunft darf noch im preußischen Staatsdienst tätig sein und die
aufkommenden Nazis wurden 1925 noch als Verwirrte bezeichnet, die schon bald
wieder von der Oberfläche verschwinden werden.
Im November 1925 wird eine männliche Leiche aus dem Berliner Kanal gefischt.
Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Journalisten eines
nationalsozialistischen Blattes "Völkischer Beobachter" in München.
Bei der Suche nach einem Motiv und einer Spur kommt der Jude Spiro eng an Leute
der aufkeimenden NSDAP heran, ohne schon jetzt ihre Gefährlichkeit zu erkennen.
Im Zusammenhang mit dem Mordopfer taucht ein junger Mann auf, der in den Kreisen
als "blonder Hund" bekannt und nach der Tat abgetaucht ist.
Kerstin Ehmer beschreibt die Abläufe chronologisch mit dem Datum als
Kapitelüberschrift. Das gibt dem Leser einen überschaulichen Fahrplan. Dennoch
gefallen mir persönlich Kapitel von fünfzig Seiten Länge nicht besonders. Sie
behindern das schnelle Lesen und wenn man das Gefühl hat, dass man das nächste
nicht in einer bestimmten Zeit schaffen würde, fängt man es erst gar nicht an
zu lesen. Ebenso nachteilig empfinde ich Absätze, die sich über drei Seiten
erstrecken. Sie geben dem Leserauge keine Möglichkeit einer Blickpause.
Diese Hinweise sollen aber nicht den Genuss an interessanten und umfangreichen
Informationen trüben. Denn sehr unterhaltsam wird das Zeitgeschehen von damals
detailreich und mit vielen Fakten wiedergegeben. Bildreiche Sprache lässt das
Berlin (und auch das München) in den Köpfen der Leser entstehen.
Dabei ist der Spannungsbogen um die Ermittlungen genauso angetan, an dem Roman
zu kleben, wie auch der der Figur des Ariel Spiro, der sich gegen seine oberen
Chefs durchzusetzen versucht oder der seiner Freundin Niki, die sich in die
Gefilde der Esoterik begibt und schließlich einen Teil zu Ariels Ermittlungen
beiträgt.
Besonders schön finde ich die Covergestaltung, die mit einem ähnlichen Motiv
wie die anderen Romane »Der weiße Affe« und »Die schwarze Fee« dieser Reihe
aufwartet, aber einen Teil der Handlung auf den Punkt bringt.
Fazit
»Der blonde Hund« ist eine erneute Milieustudie der Goldenen Zwanziger und des
aufkommenden Nationalsozialismus, die mit einer spannenden Verbrecherjagd
präsentiert und von mir gerne empfohlen wird.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 04. Mai 2022 2022-05-04 10:49:36