Dieser Roman von Sam Lloyd ist ein weiterer Psychothriller dieses britischen
Schriftstellers, der aus der Gegend (Devon, nördlich vom Dartmoor National
Park) stammt und sich wohl tatsächlich mit dem stürmischen Meer an der
Nordküste Südenglands auskennt.
Als ein großer Sturm angekündigt wird, ist Lucy nicht gerade glücklich
darüber, denn sie weiß, dass ihr Ehemann Daniel heute mit dem Schiff aufs Meer
hinausgefahren ist. Sie sorgt sich um ihn. Er geht nichts ans Handy und hat
nirgends eine Nachricht hinterlassen, was er da draußen möchte und wann er
wieder zurück kommen will.
Als Lucy ihren Sohn Fin aus der Schule abholen will, erfährt sie, dass Daniel
den Siebenjährigen bereits am Vormittag aus der Schule holte, weil er angeblich
einen Zahnarzttermin hatte. Bei dem Versuch, die 18jährige Tochter Billie
darüber zu informieren, dass Daniel als auch Fin offenbar aus See sind, stellt
sie erschreckenderweise fest, dass auch Billie nicht an ihr Telefon geht. Lucy
sorgt dafür, dass alle Freunde der Tochter nach ihr suchen, und später auch,
dass auf dem Meer nach allen Dreien gesucht wird
Sam Lloyd baut die Spannung über mehrere Ebenen auf. Da ist zunächst Lucy, die
mit dem Verschwinden ihrer Familie klarkommen muss. Doch mit jederweiteren Seite
erfahren wir mehr über sie und ihr Leben. Nicht zuletzt auch durch in Gedanken
eingepackte Rückblenden. Das Geschehen in der Vergangenheit scheint immer mehr
an Bedeutung zu gewinnen.
Eine weitere Spannungsebene sind die Ermittlungen um das Geschehen. Wie ist es
zum Verschwinden der Familie gekommen? Detective Inspector Abraham Rose leitet
diese Ermittlungen. Er hat dabei schwer mit seinen Gefühlen zu kämpfen,
besonders nachdem er ein Video mit dem kleinen Sohn gesehen hat.
Abraham ist sowieso eine äußerst interessante Figur in dieser Geschichte. Er
ist stark religiös. Seine Mutter hatte einen großen Einfluss diesbezüglich
auf ihn und er hat sogar auf Freundinnen verzichtet, wenn seine Mutter sie nicht
mochte. Das Verschwinden von Daniel und den beiden Kindern betrachtet Abraham
immer vor seinem religiösen Hintergrund. Diesbezügliche Zitate aus religiösen
Texten oder der Bibel machen es immer wieder deutlich.
Außerdem ist Abraham krank, schwer krank. Die Ermittlungen führt er unter
starken Schmerzen durch und es stellt sich immer die Frage, ob er sie auch bis
zum Ende schafft. Deshalb agiert er sehr nachdenklich, hört oft in sich
hinein.
Zwar weiß man bei diesem Roman sofort, quasi auf der ersten Seite, dass etwas
Schlimmes passiert ist, aber bis einem dann die gesamte Dimension aufgeht,
dauert es doch ein kleines Weilchen. Man lässt sich treiben und ergreift
Partei, um dann mit der Zeit vielleicht eines Besseren belehrt zu werden. Aber
Sam Lloyd nimmt die Leser mit auf seiner Psychoreise durch die Figurenlandschaft
seines Romans.
Aber ein ganz besonderes Highlight ist am Ende der actionreiche Showdown. Wenn
man glaubt, der ganze Psychodreck wird letztendlich in Verhören oder
Gesprächen aufgelöst, der irrt sich gewaltig. Dramaturgisch ist dies von Sam
Lloyd perfekt in Szene gesetzt. I like it.
Detaillierte Landschaftsbeschreibungen und nahezu minutiöse Abläufe des Sturms
von ein weiteres Merkmal des Schreibstils dieses Schriftstellers. Ich habe mich
auf meinen Besuchen in Südengland wiedergefunden und vielleicht durch dieses
Buch neue Ziele gefunden, die es sich lohnt, zu besuchen.
Fazit
Mir hat dieser Roman viel Spaß gemacht und sehr gut unterhalten. Die
Irreführung hat mich auf eine Reise mitgenommen, die nicht nur in die Psyche,
sondern auch nach Südengland führt. Ein kleiner britischer Touch, wie ich ihn
mag.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 13. April 2022 2022-04-13 10:42:24