Vandam, die Hauptfigur des Romans kann man mit gutem Recht als einen Anti-Helden
bezeichnen. Er verbringt seine Abende am liebsten in seiner Stammkneipe, der
"Severka". Dort prügelt er sich häufig, vor allem mit neuen Gästen.
Er wohnt in einer Hochhaussiedlung am Rande Prags, in der früheren Wohnung
seiner Eltern. Sein Vater hatte vor Jahren Selbstmord gemacht und seine Mutter
ist verschollen. Eine Freundin hat Vandam nicht, aber er verehrt Sylvia, die
Besitzerin der Severka, auf eine etwas ungeschickte und wenig einfühlsame Art.
Vandam ist der Meinung, das Leben zu kennen und zu wissen "wo es längs
geht". Besonders die Politik glaubt er zu durchschauen: "Ich kann Dir
sagen, wie das Leben läuft. Politik ist nur ein Spiel, wo im Hintergrund
Schatten an Strippen ziehen. Bonzen, die für teures Geld Kennzeichen mit 1111
und 6666 an ihre Wagen schrauben lassen. Diese Schatten entscheiden alles, nicht
die Politiker. Das ist schon immer so gewesen."
Vandams Weltsicht ist pessimistisch: "Frieden ist nur eine Pause zwischen
zwei Kriegen." Teile von Vandams Gedanken sind nahe am Rechtsextremismus:
"Heil Europa. Wir sind Europäer. Neger raus… Penner raus… Zigos
raus… Ausländer raus…". Doch am Ende fordert Vandam: "Tschechen
raus. Alle raus". Tschechischer Humor? Vandam ist eher ein Verlierer der
politischen und wirtschaftlichen Wende als ein überzeugter Rechtsextremist.
Seine Meinungen und Thesen stehen für einen nicht kleinen Teil der
Gesellschaft, der vom neuen System und der Marktwirtschaft enttäuscht ist.
Seine Freunde glauben, dass Vandam bei den Demonstrationen gegen die Kommunisten
auf der Prager Nationalstraße in vorderster Front gestanden hat. Allerdings
redet Vandam darüber nicht gerne, da seine Rolle eine ganz andere war als seine
Freunde glauben….
Das Buch ist überwiegend im Monolog gehalten, den Vandam an seinen Sohn
richtet, der nicht bei ihm lebt. Die Sprache ist umgangssprachlich. Es gibt
oftmals Wiederholungen, doch dadurch hat der Roman einen ganz eigenen
interessanten Rhythmus. Der Leser erfährt im Buch mehr über das Leben vieler
einfacher Tschechen als in irgendwelchen soziologischen Abhandlungen. Rudis
beschönigt nichts. Im Nachwort erklärt er seine Motivation für diesen Roman:
"Ich wollte ein Buch schreiben über den tschechischen Humor…. Über die
politische Kultur nach der Wende. Ich wollte ein Buch schreiben über uns
Tschechen, die wir unter uns leben und große Angst vor dem Fremden und den
Fremden haben."
Fazit
Der Roman ist ein lesenswertes Psychogramm der tschechischen Gesellschaft. Die
Enttäuschung vieler Menschen über die Nachwendezeit gilt in ähnlicher Form
aber für ganz Osteuropa und nicht zuletzt auch Ostdeutschland. Vandam ist eine
Person, die einen mit ihrer Rohheit abstößt und an der man aber andererseits
auch sympathische Züge und eine fast brutale Ehrlichkeit findet.
Vorgeschlagen von Mathias Hofen
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veröffentlicht am 25. Februar 2022 2022-02-25 08:38:26