Gordon A. Craig, Professor für deutsche Geschichte an den Universitäten Yale,
Princeton und Stanford gehört zu den international versiertesten Kennern
deutscher Geschichte. Dies beweist er auch in dem vorliegenden Buch "Über
die Deutschen". Er führt hier äußerst differenziert in die deutsche
Kultur- und Geistesgeschichte ein und entwirft ein differenziertes historisches
Portrait über die Deutschen. Kultur- und Geistesgeschichte kommen hier
ebenfalls ausreichend zur Geltung. Craig hat die Frage nie losgelassen, warum
"ein für seinen unbändigen Individualismus in Religion und Philosophie
bekanntes Volk die Unterwerfung unter die politische Macht [vor allem während
des Dritten Reiches; B.N.] zu einer solchen Tugend erhoben hatte." Gab es
eine Kontiunuität zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland bis hin zu
Luther, Friedrich II., Bismarck und Luther. Craig nimmt auch hier einen
differenzierten Standpunkt ein. Das Jahr 1945 habe eine Zäsur in der deutschen
Geschichte dargestellt und sei schärfer und entscheidender als irgendein
früherer Bruch in der Neuzeit, etwa die Revolution von 1918/19. Dies bedeute
jedoch nicht, dass es keine Kontinuitäten gäbe. Auch heute würden
Einstellungen und Denkweisen der Deutschen mehr oder weniger stark von
Geschichte und Tradition beeinflusst.
Das Buch wurde erstmals 1982, also lange vor der deutschen Wiedervereinigung,
vorgelegt. Umso beeindruckender ist diese scharfe Analyse, welches - für mich
bezeichnenderweise - nicht von einem Deutschen vorgelegt wurde. Vielleicht ist
es der Vorteil des Autors, als außenstehender Beobachter nüchterner,
allerdings auch schärfer ein gelungenes Psychogramm eines Volkes vorgelegt zu
haben, welches ich - bis heute - zu den besten Arbeiten über die Deutschen
halte. Vergleichbar sind meines Erachtens nur die Bücher "Ein schwieriges
Vaterland" von Martin und Sylvia Greiffenhagen "Die Deutschen in ihrem
Jahrhundert" von Christian Graf Krockow und - last not least - "
Die verspätete Nation"
von Helmuth Plessner, welches ebenfalls hervorragend in die jüngere Geistes-
und Kulturgeschichte Deutschlands einführt.
Fazit
Wer sich für unsere politische Kultur, unsere geistes- und kulturgeschichtliche
Tradition interessiert, dem sei - auch heute noch - dieses wichtige Buch auf
jeden Fall empfohlen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 28. Juni 2004 2004-06-28 19:45:51