Bildung wird als zentrale Aufgabe der Schule angesehen, schon immer. Aber auf
das System Schule kommen immerfort neue Aufgaben, Ideen und Forderungen zu. Ein
System, das nie zur Ruhe kommt. Allen Beteiligten (Schüler, Lehrer, Eltern) ist
diese Unruhe zunehmend anzumerken. Gerade die Corona-Krise wirkte wie ein
Brennglas und legte schonungslos die Schwachstellen offen, Schwachstellen, die
über Schule hinausreichen und deren Konfliktpotential noch lange für
Diskussionen sorgen wird.
Was sind nun aus Sicht Carsten Tergasts die Hauptkritikpunkte (oder, um es mit
seinen Worten zu sagen: die Brandnester)? Der Autor reflektiert das System (eben
auch aus eigener Erfahrung) und legt an verschiedenen Stellen den Finger in die
Wunde. Er beschreibt mit großem Nachdruck Hoffnungen, Erwartungen und Zwänge,
der sich die Hauptbeteiligten ausgesetzt sehen: Lehrer, Schüler und Eltern.
Einflussnahmen von außen, vor allem durch Politik und Wissenschaft spielen
hierbei zwar eine externe, aber keineswegs eine untergeordnete Rolle.
Weitere Knackpunkte wie Lehrergesundheit, Größe der Klassen (Schüleranzahl),
Notengebung und das stetig an Bedeutung wachsende Thema des mangelnden Respekts
und des Fehlverhaltens gegenüber Lehrern werden aufgegriffen, an Beispielen
anschaulich dargestellt und diskutiert. Im Reigen darf natürlich ein
brandaktuelles Thema nicht fehlen: die Digitalisierung von Schule. Gemeint ist
hier nicht nur die Ausstattung von Schulen, sondern auch der
unterrichtspraktische Einsatz und Nutzen digitaler Medien und Inhalte.
In den abschließenden Abschnitten befasst sich der Autor mit den Begriffen
"Erziehung" und "Bildung", beschreibt deren Bedeutung,
grenzt sie einerseits voneinander ab, zeigt aber auch auf, welche (fließenden)
Zusammenhänge existieren und in welcher Form Erziehungsberechtigte und Lehrer
darauf Einfluss nehmen und nehmen sollten.
Fazit
Carsten Tergast arbeitete für geraume Zeit als quereinsteigender Lehrer in der
Schule einer deutschen Kleinstadt. Diesem System hat er allerdings (und
offensichtlich recht rasch) wieder den Rücken gekehrt. Wieso für die
Unterüberschrift "Ein Lehrer sucht Auswege aus einem kaputten System"
gewählt wurde, ist für mich unverständlich. Der Blick eines "Critical
Friend" ist aber allemal hilfreich, denn Diskussionsbedarf am System Schule
besteht allemal. Die im vorliegenden Werk aufgeführten Kritikpunkte legen den
Finger in die richtige Wunde. Schwierig wird es allerdings aus meiner Sicht,
wenn es um geeignete Lösungsansätze und Schlussfolgerungen geht. Klar: in
einem Buch dürfen (und sollen) idealisierte Lösungen beschrieben werden.
Allerdings müsste der idealisierten Theorie praxisnahe Vorschläge folgen.
Ich würde das vorliegende Buch als "Streitschrift" ansehen, insofern
leistet es gute Dienste. Im Sinne konstruktiver Vorschläge für eine bessere
Schule eignet es sich allerdings nur bedingt.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 09. September 2021 2021-09-09 19:54:23