Lange Zeit stand der Bürgerkrieg in Syrien im Fokus, rund um den Globus. In
Zeiten der Pandemie ist die Tragödie der syrischen Bevölkerung ins
Hintertreffen geraten, aber keineswegs aus der Welt geschafft. Die beiden
Militärhistoriker Sönke Neitzel und Bastian Matteo Scianna nehmen diesen
Konflikt ins Visier, stellen ihn in Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling
und den sich hieraus entwickelnden Konflikten in der Region des nahen und
mittleren Osten. Kern dieser Betrachtungen ist die Rolle der Bundesrepublik
Deutschland in einer Periode wechselnder Regierungskoalitionen (v.a. 2011 bis
2021).
Die beiden Autoren beschreiben in kompakter Form die Lage der arabischen Welt
rund um die Geschehnisse des "Arabischen Frühlings". In dieser Zeit
des Umbruchs geraten die beteiligten Staaten auch ins Visier der Großmächte,
allen voran der USA und Russland. Sicherung und mögliche Ausweitung der eigenen
Machtsphären und geopolitische Interessen brechen sich in der Bahn in der
gesamten Region. Nach Interventionen und Kriegen im Irak und in Libyen, gerät
das Regime des syrischen Machthabers Assad unter Druck. Es beginnt ein
bewaffneter Konflikt, Syrien ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen.
Das Agieren der westlichen Alliiertem ist alles andere als einheitlich.
Gewissermaßen einer Sonderrolle nehmen hierbei aus Sicht der beiden Autoren die
verantwortlichen Spitzenpolitiker Deutschlands ein. Es mangelt nicht an guten
Absichten, oft genug wird konsequentes Handeln eingefordert - aber wie steht es
um das eigene Handeln und die Bereitschaft zur Konsequenz?
Fazit
Sönke Neitzel und Bastian Matteo Scianna beschreiben gewissermaßen ein
"deutsches Dilemma". Aufgrund der eigenen Historie in jüngerer Zeit
sind die Deutschen zurückhaltend, wenn es um bewaffnete Konflikte geht. So
weit, so gut und mehr als verständlich. Aber 76 Jahre nach Kriegsende hat
Deutschland als demokratische Bundesrepublik nach und nach einen festen Platz in
der Völkergemeinschaft. Aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen
Entwicklung steht Deutschland heute sehr gut da und die Erwartungen weltweit,
insbesondere natürlich die der Bündnispartner, stimmen mit der deutschen
Eigensicht und den hieraus resultierenden Konsequenzen häufig nicht
überein.
Die beiden Autoren legen den Finger in die Wunde und bewerten die Politik
Deutschlands, wenn es um die Mitwirkung bei der Lösung bewaffneter Konflikte
geht, sehr kritisch. Zweifelsfrei ein wichtiges Buch, das es allemal zu lesen
lohnt, auch wenn man selbst einigen Argumenten und Schlussfolgerungen der beiden
renommierten Autoren nicht folgt und zu anderen Bewertungen gelangt. Eben solche
Kontroversen sind notwendig, damit die deutsche Politik und die Gesellschaft
ihren Standpunkt im Zuge internationaler Erwartungen zur Übernahme der zurecht
eingeforderten (Mit-)Verantwortung zu finden. Hier leistet das vorliegende Werk
einen sehr guten Beitrag!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 15. August 2021 2021-08-15 15:25:49