Wulf Schönbohm gehörte zu den engeren Freunden Heiner Geißlers. In diesem
kaum verhüllten Schlüsselroman beschreibt er das Innenleben nicht einer
Partei, sondern konkret der CDU zur Zeit Kohls. Der Roman ist durchaus spannend
geschrieben, allerdings vermisse ich Hintergründe zum Sturz Geißlers. Zu
einseitig diffamierend und daher zu wenig differenziert erscheint das Bild des
allmächtigen Parteivorsitzenden gezeichnet. Die Charaktere sind daher nicht
interessant, sondern vollkommen machtbesessen und einseitig sofort als "die
Guten" und "die Bösen" identifizierbar. Schönbohm entwickelt zu
wenig Distanz zu den Vorgängen von 1989. Und so kamen mir beim Lesen dieses
Romans die Bücher von Klaus Bölling: "Die letzten 30 Tage des Kanzlers
Helmut Schmidt" aus dem Jahre 1982 sowie das Buch von Manfred Zach aus dem
Jahre 2001: "Monrepos oder die Kälte der Macht" in den Sinn. Alle
drei Titel, insbesondere Zachs Roman, sind mit dem vorliegenden Werk
vergleichbar: aus dem unmittelbaren Erlebnis heraus geschrieben, lassen sie -
alle drei Autoren gehörten zum unmittelbaren politischen Umfeld der jeweils
geschilderten Politiker - bei Schönbohm Geißler, bei Bölling Schmidt, bei
Zach Späth - jegliche kritische Distanz vermissen. Insofern verspricht der
Titel, nämlich dem unbefangenen Leser objektiv das Innenleben einer politischen
Partei zu vermitteln, mehr als er hält. Wer Interesse an Schlüsselromanen
dieser Art hat, mag das Buch gerne lesen - gewinnbringend ist es meines
Erachtens nicht, denn dafür fehlt die notwendige kritische Distanz und auch der
notwendige Abstand zu den Ereignissen. Wie heißt es manchmal so schön: die
Zeit heilt die Wunden. Ein solches Buch ist sicherlich gewinnbringender, wenn
die geschilderten Vorgänge weiter zurückliegen und der notwendige Abstand
durch alle Beteiligten dazu gewonnen ist.
Fazit
Auch wer politische Schlüsselromane mag, dürfte von diesem Buch eher
enttäuscht sein.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 10. Januar 2004 2004-01-10 19:57:21