Weltmacht - die Welt beherrschen. Versuche, diese Vision in die Tat umzusetzen,
gab es in der Geschichte immer wieder. Natürlich spielt die Sicht auf die Welt
und das Wissen über die "Welt" eine bedeutende Rolle bei der
Betrachtung, was der Begriff "Weltherrschaft" bezogen auf die
jeweilige Epoche tatsächlich meint. Im Laufe der Menschheitsgeschichte ist das
Wissen durch stetige Veränderungen gekennzeichnet. Das Bestreben einiger
Staaten, den Rang einer Welt- oder Supermacht zu erreichen und zu festigen, ist
indes latent zu finden.
"Wir", das bedeutet für uns Europäer die Sichtweise des Westens.
Ungläubig und kopfschüttelnd, verärgert oder verwundert betrachten wir den
aktuellen politischen und wirtschaftlichen Weg Chinas. Aber welche historische
Sicht auf die Weltgeschichte haben die Chinesen? Genau hier setzt das Buch des
renommierten US-amerikanischen Wissenschaftlers und Journalisten Michael Schuman
an. Sein Anspruch: KEINE chinesische Universalgeschichte! VIELMEHR: ein
historischer Überblick auf dem Weg zur heutigen, modernen Supermacht China. Das
Land, seine Menschen und die Politiker besser verstehen, das ist seine
Vision.
Inhaltlich begibt sich der Autor auf eine (sehr) lange historische Reise. Die 11
Kapitel des Buches können weitgehend den Herrschaftsepochen zugeordnet werden.
So lernt der Leser die bedeutenden chinesischen Dynastien und ihre prägenden
Gestalten kennen. Beginnend mit der "Shang-Dynastie" (ca. 1550 v.
Chr.) bis in die heutige Zeit hinein spannt der Autor seinen historischen Bogen.
Er beschreibt die Besonderheiten und Eigenheiten der chinesischen Weltsicht. Das
Herauskristallisieren dessen, was "China" zu Beginn seiner Geschichte
ausmachte, der Umgang prägender chinesischer Dynastien unter Führung eines
Kaisers ("Sohn des Himmels") und deren steter Kampf gegen
Eindringlinge von Außen, den Umgang der Herrscher mit den Barbaren, lässt die
Wechselhaftigkeit der Geschichte Chinas, deren Auf und Ab, sichtbar werden.
Unbestritten war jedoch stets die zentrale Bedeutung und Stellung der
chinesischen Kultur; selbst die Eroberer erkannten dies an und assimilierten
kulturelle Sichtweisen und Rituale in die eigene Kultur. China als unbestrittene
Nummer eins - das Zentrum der Welt!
Erst die beiden letzten Dynastien (die Ming und die Qing-Dynastie) bekamen es
mit Menschen eines fremden Kulturkreises zu tun, deren eigener Anspruch es war,
kulturell und gesellschaftlich führend in der Welt zu sein. Ja, es prallten im
wahrsten Sinne des Wortes zwei Welten aufeinander: die chinesische und die
europäische. Beginnend mit den Portugiesen und weiter mit anderen, großen
Entdecker- und später imperialistisch agierenden Nationen sahen sich die
Chinesen nun mit Menschen (aus ihrer Sich weiterhin "Barbaren")
konfrontiert, die sich nicht dem kulturellen Gepflogenheiten Chinas unterwerfen
wollten, sondern erwarteten, dasssie selbst den Ton angeben konnten. Konflikte
waren unausweichlich.
Fazit
Obwohl man sich an eine Vielzahl von uns fremdklingenden Namen von Städten,
Herrschern und Dynastien erst gewöhnen muss, gelingt Michael Schuman ein
Spagat: einerseits ein recht kompakter Überblick über die Kernereignisse
chinesischer Geschichte von Beginn bis in die heutige Zeit, andererseits ein
interessantes und unterhaltsam geschriebenes Buch, das keine Langeweile
aufkommen lässt. Selbst wenn dies knapp 500 Seiten umfassende Buch natürlich
viele historisch, politischen und kulturellen Entwicklungen streifen kann,
gelingt eines jedoch auf jeden Fall: der Leser lernt die Sicht "des
Chinesen" kennen - ein Blick AUS dem fernen Osten.
Seine Vision, Verständnis für die Sichtweise(n) dieses großen Volkes auf das
aktuelle Weltgeschehen zu entwickeln, gelingt dem Autor aus meiner Sicht in
beachtlicher Art und Weise. Insofern ein "Motivationshappen", sich
tiefer in die Materie einzulesen und einzuarbeiten, um sich im Hinblick auf
China besser positionieren zu können!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 15. August 2021 2021-08-15 15:27:54