Vampire in "neuen" Zeiten
Der Kommunismus im sozialistischen Sinne ist am Ort des Geschehens Geschichte.
Aber nicht unbedingt tote Geschichte, denn Erinnerungen, Verbindungen, eine
Prägung durch die "alte Lebensweise" sind durchaus ja noch vorhanden
in dieser Kleinstadt in Transsylvanien (Wirkungsstätte in noch früheren Zeiten
von "Vlad dem Pfähler", bekannt als Dracula). Eine kleine Stadt, die
für die junge Frau und Ich-Erzählerin des Romans schöne Erinnerungen birgt.
An die Großeltern, an die Familie, an Freunde vor Ort. Der Ort, an dem früher
immer die Ferien verbacht wurden.
Und auch wenn vieles sich verändert hat, entschlossen macht die junge Frau sich
auf, die alten Bindungen zu beleben, sich der Atmosphäre hinzugeben. Ein wenig
so zu tun, als wäre es noch, wie es mal war, nach diesen nun doch langen Zeiten
in der Welt da draußen, in denen sie nicht mehr hier vor Ort war. Aber es hat
sich etwas sehr einschneidendes verändert, dass erstmal gar nicht so dinglich
vor dem Auge des Betrachters liegt, sondern in den Menschen selbst zunächst
verborgen ist. Unzufriedenheit ist an der Tagesordnung. Resignation, dass die,
die "das Sagen haben" oder haben sollten auch bereit wären, etwas zu
tun zur Verbesserung für die "kleinen Leute" in dieser Kleinstadt.
"…dass sich die Korrupten auch Wälder unter die Nägel gerissen
hätten…..privates Jagdrevier draus gemacht, man stelle sich vor…."
Ein starker Mann es zu richten, das wärs. Und die erzählten Erinnerungen sind
noch lebendig, dass jener Vlad, bevor er "Romanheld" wurde und damit
Inbegriff des "Blutsaugers", doch mit zwar harter Hand, aber
"gerecht" geherrscht hat. Ein Thema, was so weit um sich greift, wie
es selten in den vorhergehenden Zeiten der Fall war und eines der wesentlichen
Themen der Moderne, die durchaus mehr noch beinhaltet als eine "neue
Rechte" im politischen Sinne. Die Verengung auf etwas, was man "das
Nationale" zwar überall ähnlich benennt, das aber dann aber scher mit
konkretem Inhalt zu füllen ist.
Während im Lauf der Ereignisse im Buch jetzt bei Weitem keine dröge politische
Diskussion seitenlang folgt, sondern Grigorcea in eine Form klassischer
Schauerromane übergehen lässt. Eine Leiche wird gefunden. Ganz klar ermordet.
Und das brutal. Gepfählt. Womit all die Meinungen hier und da, das Geraune,
plötzlich leibhaftige Gegenwart wieder zu werden scheint. Und das wird nicht
der letzte Mord in der kleinen Stadt bleiben.
Was für die junge Malerin nun, auch das anders, als man zunächst vielleicht
erwarten würde, jetzt keinen "Berufswechsel" hin zur Ermittlerin oder
Detektivin bedeutet, sondern in ganz anderer Weise Teil ihres Lebens werden wird
(oder bereits war, glaubt man dem, was ihr manche Gestalt ins Ohr flüstert).
Was im weiteren Verlauf der Ereignisse bis zur Aufklärung der Morde und des
Hintergrundgeschehens immer wieder vor allem vor Augen führt, dass das
"Vergangene" nie einfach vorbei, sondern im prägend auch für die
Gegenwart wirkt, das manches wieder neu "herbeigefehlt" wird und
anderes, wie die Korruption und das "jeder gegen jeden" wohl nie ganz
verschwunden war. Nur verdeckter vorlag. Was aber nicht wundert, wenn (auch
zentral als Person im Buch angelegt), es nicht wenige Menschen gibt, die sich
"in allen Systemen bestens zurecht finden".
Fazit
Eine anregende Lektüre, die einen scharfen Blick auf den allzu verbreiteten
Wunsch nach den "alten Zeiten" und "starken Männern" wirft
und was wirklich Folgen solcher Sehnsüchte sein können.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. April 2021 2021-04-26 15:22:02