Zeitgeschichte in Person
"Geboren im Mai 2028 gehöre ich ja zu jenen Jahrgängen, die durch die
Ereignisse nahezu zwangspolitisiert wurden".
Eine Prägung durch die Zeit an sich, im Aufwachsen im Nationalsozialismus, im
Miterleben des Krieges, vor allem aber dann als erst Jugendlicher und dann
junger Mann zu einer Zeit, in der das Weltgeschehen selbst neue Ordnungen fand,
einer Zeit samt Wirtschaftswunder, 68er Revolte und allgemeinen Dynamiken, die
nicht nur ihn als Person stark geprägt haben, sondern die er selbst in seinem
leidenschaftlichen Berufsleben dann mitbegleitet und ebenfalls mitgeprägt hat.
Als politischer Journalist. Der sich, das dringt aus diesen Lebenserinnerungen
Seite für Seite hindurch, nicht vor Karren hat spannen lassen, sondern der
freiheitlichen Demokratie gegen Zwang, Gewalt und blinder Gläubigkeit
irgendwelchen Autoritäten gegenüber immer entgegengestellt hat.
"ich wuchs nahezu elf Jahre im Frieden auf, und doch war der Krieg für
mich Heranwachsenden früh präsent". Und das nicht nur ob des "neuen
Krieges", sondern auch in einer Gesellschaft groß werdend, in denen die
Folgen des Krieges an vielen Mitmenschen bestens abzulesen waren. Versehrte,
psychisch traumatisierte Menschen waren keine Seltenheit und prägten das Leben
durchaus auch für die vermeintlich "unbeschädigten" anderen.
Seien es dann die direkten Zeiten nach dem Krieg mit ihrer wechselhaften
Geschichte, wo es eher Glück oder Unglück war, unter welcher Besatzungsmacht
man seinen neuen Weg finden musste, seien es die selbsterlebten "muffigen
Talare" in seiner Studentenzeit angesichts konservativer Universitäten
(Halle und Marburg werden flüssig und treffend einander gegenübergestellt und
damit auch die verschiedenen Ausgangspositionen verschiedener Gegenden nach dem
Krieg (Marburg hatte es kaum getroffen)), sei es die eigene damalige
"Verachtung des Bürgerlichen" und der materiellen Dinge in
Merseburgers Leben, gut abzulesen ist an diesen Erinnerungen, welche
gesellschaftlichen Kräfte auf andere Lebensformen begannen, zu drängen und aus
welchen inneren Motiven heraus dies geschah.
Dass Merseburger aufgrund dieser Zeiten, seiner persönlichen Erlebnisse und den
kulturellen Bewegungen jener Jahr in Richtung eines liberalen, eher
"linken" Journalisten sich entfaltete, wird in seinen Entwicklungen
aus dem Buch heraus ebenso deutlich, wie die zunehmende Kompetenz und
Differenzierung, die sein journalistisches Schaffen später hinzufügten.
"Aber mit den Trümmern, das spürte ich bald, verschwanden auch die
Träume von einer……neuen, besseren, menschlicheren Gesellschaft".
Was aber nicht für Merseburger galt, der diesen Träumen und den Ideen einer
"Gerechtigkeit" statt Restauration verbunden blieb. Im Stil sehr
flüssig und wortgewandt verfasst, hat Merseburger handfestes und fundiertes zu
erzählen von den verschiedenen Phasen des Umbruchs in der Welt, von den
verschiedenen kulturellen Epochen gerade in Deutschland, von
"Modernisierern" und den "Kräften der Beharrung", auch von
der starken Entfaltung des Feminismus, aber auch immer wieder unter Verweis auf
Mauern, die schwer zu erschüttern und ständig wieder neu aufgebaut wurden um
werden, um eben einen Stauts quo dringend erhalten zu wollen.
Fazit
Immer wieder sich neuen Fragen und Aufgaben stellen, durchaus nicht nur einmal
"ins Ungewisse" gehen, vor allem aber sich selbst treu bleiben, ohne
in innere Zwänge zu verfallen, all dem folgt man in der Lektüre gern anhand
der äußeren Stationen und Betrachtungen aus diesem Leben.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 22. Februar 2021 2021-02-22 13:41:41