Krisen wo man nur hinblickt - politische Krisen, gesundheitliche Krisen,
wirtschaftliche Krisen und nicht zuletzt: die Demokratie in Gefahr. Eine
düstere Zeit, unerfreulich für die Meisten. So kann es nicht weitergehen.
Aber: wie kommen wir da raus? Der Historiker Gregor Schöllgen und der
Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder greifen die aktuelle Situation auf und
suchen nach (Aus-) Wegen.
In 10 Kapiteln greifen sie die aktuelle Problematik auf, beschreiben und
analysieren sie aus ihrer Warte: Europa (besser: die Europäische Union) und ihr
Verharren in alten Mustern, Führungsmacht USA: wird nach Trump alles wie es
war, oder wohin führt der Weg? Russland und China als bedeutende Großmächte:
Machenschaften, Hinterlassenschaften und deren Konsequenzen für die Welt
(-politik), danach folgen Erläuterungen zu weiteren Problemfeldern in Asien, im
Nahen und Mittleren Osten (sehr ausführlich) und nicht zuletzt in Afrika, das
an den Folgen der Ausbeutung in den Epochen des europäischen Imperialismus nach
wie vor zu tragen hat. Das hat Konsequenzen für die Bevölkerung in diesen
Ländern, aber auch auf die außenpolitischen und wirtschaftlichen
Beziehungen.
Wen wundert's: alles dreht sich letztendlich um Sicherung dringend benötigter
Ressourcen. Allen voran die Weltmacht USA (der an vielen Stellen ein
ausgesprochen schlechtes Zeugnis ausgestellt wird für das politische Handeln),
aber auch die Groß- und Mittelmächte dieser Welt, alle haben das Ziel ein
möglichst großes Stück vom vorhandenen "Kuchen" abzubekommen. Im
Epilog (Was zu tun ist) ziehen die historisch, politisch und wirtschaftlich
renommierten und erfahrenen ein Resümee und schildern aus ihrer Sicht, wie es
weitergehen kann und sollte.
Fazit
In den 10 Kapiteln, und damit dem Kern des Buches verschaffen Schöllgen und
Schröder einen umfassenden und interessanten Überblick über die Krisenherde
dieser Welt, über die drängenden politischen Probleme und Fragen rund um den
Globus. Sie beschreiben nicht nur, sie skizzieren die Fehler der Vergangenheit,
den Wandel der Weltpolitik, vor allem nach dem Ende des Kalten Krieges und somit
der Auflösung der bipolaren Welt - die Welt ist den Autoren zufolge lange nicht
mehr das, was sie war und sie bedarf dringend einer neuen Weltordnung, die sich
der modernen Gegebenheiten annimmt, sie berücksichtigt und sich
partnerschaftlich auf Augenhöhe weiterentwickelt. So weit, so gut.
Das ausserordentliche Renommee der Autoren ist unbestritten. Sie analysieren
scharf und legen den Finger in die Wunde, letztendlich bis es weh tut. Aber wie
sieht es mit den Rückschlüssen, der Interpretation der Ereignisse und den
vorgeschlagenen Lösungen aus? Meiner Ansicht nach treffen sie mit der
Beschreibung der Ist-Zustandes der Europäischen Union den Nagel auf den Kopf.
Auch die Forderung nach einer Emanzipation der Europäer in Richtung einer
wirklich eigenständigen Politik mit allen Konsequenzen kann ich in großen
Teilen folgen.
Die Deutung der früheren und der heutigen Politik der Großmächte USA, China
und Russland hingegen, halte ich nicht für überzeugend aufgrund fehlender
Objektivität und Ausgewogenheit. Die USA schneiden hierbei zweifelsfrei am
Schlechtesten ab. "Den Aufstieg zur Weltmacht verdanken die Vereinigten
Staaten von Amerika dem Deutschen Reich." (S. 39 oben) Wer hätte das
gedacht? Selbst mit den anschliessenden historischen Erläuterungen dieser
Aussage erscheint mit die Behauptung deutlich zu kurz gesprungen. Zweifelsfrei
haben die USA mit ihrer Politik Fehler gemacht, die Chaos hinterliessen und
deren Konsequenzen bis in die heutige Zeit spürbar sind - aber eben nicht nur
sie! China wird eher distanziert und ein wenig argwöhnisch betrachtet, Russland
mit seiner expansiven Politik wird zwar kritisiert, jedoch lässt eine
Erklärung hierfür nicht lange auf sich warten: der Riese muss sich seine Felle
sichern und wer warum? Weil er nicht als Partner auf Augenhöhe behandelt wurde
und wird. Und wer war's: Natürlich der Westen, den es ja angeblich gar nicht
mehr gibt.
Recht haben sie: es muss sich Vieles ändern - der Weg dorthin könnte
allerdings anders verlaufen, als von den Autoren prognostiziert.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 10. März 2021 2021-03-10 07:57:33