Teils offenkundig, teils bedenkenswert, teils zu parteiisch
Ein Historiker von Ruf und ein ehemaliger Bundeskanzler, der immer schon für
seine klare Sprache samt hier und da provozierender Inhalte bekannt ist. Beide
wenden sich der weltpolitischen Lage mit besonderem Blick auf Europa und darin
natürlich wiederum mit Schwerpunkt auf Deutschland zu.
Mit einer provokanten These zunächst, die man auch mit einem Hit vergangener
Jahre zusammenfassen kann: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" Wann sonst
ein stärkeres auch formales Zusammenwachsen der Europäischen Union? Wann sonst
ein klares Auftreten in einer Politik China und Russland gegenüber in
geklärter und überlegter Haltung statt abwartend und reagierend? Wann sonst
die "Tore zur Welt" im persischen Golf als politisch dringende Aufgabe
auch entsprechend gewichten? Und wann sonst, fast bereits zu spät nach Meinung
der Autoren den Blick richten auf die schwindenden Ressourcen und damit den
Umgang mit denselben?
Europa in Stagnation, Amerika noch "mit dem Daumen auf Vielem", aber
auch an Einfluss verlierend, bezeichnen die Autoren Nordamerika und Europa an
sich als "Inseln inmitten kultureller Stürme". Ein Stilmittel einer
"Letzte Chance" Behauptung, die nicht differenziert genug auf die
Wletlage eingeht und einseitige Sehen zumindest Schöllgen und Schröder auf
diese kulturellen Bereiche der Welt bezogen nicht.
In der Analyse der Situation mag man durchaus in Teilen noch zustimmen, in der
ständig betonten Wichtigkeit der Verbindung zu Putins Russland und der
weitgehenden Aufforderung der Abnabelung von den USA aber verlieren sich viele
der zutreffenden Beobachtungen der Autoren dann doch ein einer gewissen
Einseitigkeit, die so gut wie alles an destruktiver Politik gerade Russlands und
Chinas nicht nur ausblendet, sondern nachgerade schönredet. Was mit den
aktuellen Fakten kaum vereinbar ist, außer man goutiert autoritäre Formen der
"Herrschaft". (Oder liebt das "Basta" in ähnlicher
Richtung).
"Der Westen hatte seine Zeit. Sie war gut. Sie war politisch erfolgreich.
Aber sie ist vorbei".
Man muss sich dieser These nun weder in Gänze noch überwiegend anschließen,
auch kritische Betrachtungen den Autoren gegenüber gehören zu einer
reflektierenden Wahrnehmung des Werkes. Aber dennoch, eine gewisse
"Selbstzerlegung" der im Kern immer noch reichen und mächtigen
Handelsmacht Europa kann man durchaus doch mit den Autoren gemeinsam
konzidieren. Und dass es die Notwendigkeit zu einem Aufbruch und einer neuen
Weichenstellung braucht, ist täglich an den Nachrichten über die Weltlage
abzulesen und an der eher behäbig wirkenden Geschwindigkeit und nicht
sonderlich überzeugenden nationalen Engstirnigkeit innerhalb der europäischen
Union.
Somit ist es (bei aller Kritik an der doch einseitigen Ausrichtung des Werkes)
man nicht schlecht beraten, zumindest diese Analyse zu bedenken und die
Diskussion mit darauf zu richten, ob und in welcher Form denn (noch) mehr
inhaltliche Verantwortung übernommen werden will. In Europa. In Deutschland
auch für Europa. Oder ob es bei der Politik der Geldbörse alleine bleiben
soll. Ob das nun in Form einer "engen neuen Verbündung" europäischer
Kernstaaten besteht, oder ob Mehrheitsentscheidungen auf anderem Weg verbindlich
gemacht werden können samt wirksamen Sanktionen gegenüber
"Ausscherern", das gilt es natürlich sorgsam zu prüfen.
Fazit
Aber zu erkennen, dass mehr und mehr nur mehr reagiert wird und andere das Heft
des Handelns in die Hand genommen haben, sollte als Erkenntnis zunächst in den
Raum treten. Eine in dieser Hinsicht mahnende Lektüre, die sich aber in vielen
Teilen zu sehr einseitig eine Lösung von und Annäherung an konkrete politische
Kräfte und Staaten ausspricht, die so ebenfalls nicht konstruktiv funktionieren
werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 12. Februar 2021 2021-02-12 13:27:42