Der amerikanische Historiker Kennedy hat 1987 - also zwei Jahre vor dem Zerfall
der UdSSR - ein sehr interessantes Buch über den Aufstieg und Fall großer
Mächte vorgelegt. Er argumentiert im Sinne der sogenannten
"Zyklentheorie" der sogenannten Neo-realistischen Schule in den
Internationalen Beziehungen dar. Ausgehend von einem wahrgenommenen Verfall der
amerikanischen Hegemonie während der 70-ger Jahre (Stichwort: Vietnam,
Watergate) und dem Problemdruck, den das sowjetische Imperium seit Ende der
1970-ger Jahre offensichtlich in die Krise taumeln ließ (und dann 1991 zu
seinem implosiven Zerfall führte), gewannen Studien an Interesse, welche
Gesetzmäßigkeiten im Zerfall der Imperien analysierten. Gerade jetzt, nach
Ende des Ost-West-Konfliktes und dem weltweit wahrgenommenen amerikanischen
Hegemonieanspruch unter Präsident George Bush jr. dürfte diese Studie erneut
auf Interesse stoßen, da sie ganz eindeutig die Begrenztheit von Imperien
aufzeigt und damit aufzeigt, dass längerfristig nur eine multipolare oder
bipolare Weltordnung, jedoch keine Macht alleine herrschen kann. Dies haben
jüngst Joseph S. Nye mit seinem "Paradox der amerikanischen Macht",
Charles Kupchan mit seinem Buch "Die europäische Herausforderung"
oder Peter Benders "
Weltmacht Amerika: Das neue Rom"
gezeigt. Insbesondere Bender zieht in seinem Werk direkte Parallelen zwischen
dem heutigen Amerika unter Bush und der antiken Weltmacht Rom. Beginnt in der
Weltgeschichte eine längere Vorherrschaft Amerikas oder geht sie - wie Kupchan
meint - zu Ende?
Um solche Einschätzungen historisch zu untermauern, sind Werke wie das
vorliegende von Paul Kenney von großem Interesse. In Anlehnung an G. Modelskis
"Long Cycles in World Politics" (1987) untersucht Kennedy die Frage,
warum insbesondere das zersplitterte Europa im 19. Jahrhundert aufstieg und
benennt primär wirtschaftliche und handelspolitische Gründe dafür. Wie
Modelski betont auch Kennedy die Hegemonialstellung der europäischen Mächte
Portugal, Niederlande, Großbritannien und der USA. Der jeweilige
Hegemonialstaat war dann in der Lage, eine Weltordnung zu schaffen, die
weitgehend den eigenen Interessen entsprach, bis dessen Macht zerfiel und er
durch eine neue Großmacht abgelöst wurde. Erklärungen für diesen
konstatierten zyklischen Verlauf gibt es bislang nur in Ansätzen. Michael Zürn
fast im "Lexikon der Politik" zutreffend zusammen, dass
gesellschaftliche Verkrustungen, überzogene Konsumorientierungen und vor allem
wachsende Kosten, das jeweilige Imperium zusammenzuhalten, den Niedergang der
Imperien und ihre Ersetzung durch Konkurrenten verursachten.
Dies zeigt auch Kennedy, der seine Darstellung mit vielen Fakten und Daten
belegt. Jedoch sieht Kennedy die Staaten als einheitliche Akteure und
vernachlässigt die Wechselwirkung politischer, militärischer und
gesellschaftlicher Elemente. Zu sehr wird der Machtpolitik der Einzelstaaten -
auch der ökonomischen Macht - sein Augenmerk geschenkt. Der Historiker Kennedy
geht zu wenig auf den Forschungsstand in den Internationalen Beziehungen ein,
die bereits 1987 - zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches - bekannt waren.
Zweiter Kritikpunkt ist, dass der Zerfall der UdSSR, 1987 sicherlich noch nicht
voraussehbar, in der Ausgabe von 2000 nicht erwähnt wird. Die Ausgabe von 1987
wurde nämlich nicht aktualisiert.
Fazit
Fazit: eine gute Einführung aus Sicht der neo-realistischen
"Zyklentheorie", die sich jedoch bereits 1987 nicht auf dem neuesten
Forschungsstand, insbesondere der politikwissenschaftlichen Forschung in den
Internationalen Beziehungen, befand. Daher für Laien und
Geschichtsinteressierte durchaus interessant, für Wissenschaftler jedoch nur
eingeschränkt empfehlenswert, da es aus heutiger Sicht veraltet ist.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 17. Juni 2004 2004-06-17 20:27:00