Zeit ist die wichtigste Zutat in Lutz Geißlers Broten. Und darin unterscheidet
sich seine Backphilosophie von der vieler anderer Autoren. Denn ein gutes Brot
braucht außer dem nur Mehl, Wasser, Salz und ein Triebmittel, wenn man es
versteht, die Zutaten richtig zu verarbeiten. Deshalb stehen am Anfang des
Buches kurze generelle Erklärungen und eine theoretische Einführung in die
Materie, ohne deren Wissen man nicht zur Tat schreiten kann oder sollte.
Zielgruppe dieses Buches ist also nicht der blutige Anfänger, sondern der
interessierte Laie, dem es Freude bereitet, sich auch mit den Hintergründen zu
befassen. Denn der Autor ist Perfektionist: eigentlich Geologe, kam er zufällig
zum Brotbacken. Daraus entwickelte er eine Leidenschaft, aus der ein Beruf
entstand. Er schreibt Bücher, entwickelt Brot- und andere Backrezepte auf dem
Grundsatz der Naturbelassenheit und gibt stets ausgebuchte Brotbackkurse. Seine
Brotexperimente, Backreportagen und Rezepte veröffentlicht er regelmäßig auf
seiner Internetseite.
Die Co-Autorin Monika Drax ist Müllermeisterin und leidenschaftliche
Hobbybäckerin. Ihr gehört die über 100 Jahre alte Drax-Mühle in Oberbayern,
die sie in vierter Generation betreibt. Monika Drax fördert seit über einem
Jahrzehnt den Anbau von alten Getreidesorten. In ihrer kleinen traditionellen
Handwerksmühle mahlt sie qualitativ feinstes Mehl aus regionalem Getreide. Die
erste Hälfte des Buches besteht aus einem kleinen Theorieteil und 70
Backrezepten. 30 verschiedene Brote, Kleingebäck, Süßes und auch glutenfreie
Backwaren werden vorgestellt. Dabei ist fast jedes Rezept auf einer Doppelseite
mit Foto optisch sehr strukturiert dargestellt.
Der Schwerpunkt der Zutaten liegt dabei auf Urgetreide und seltenen
Getreidesorten, die größtenteils schon fast in Vergessenheit geraten sind:
beispielsweise Dinkel, Emmer, Einkorn, Kamut, Rotkornweizen, Gerste,
Waldstaudenroggen und Lichtkornroggen. In der zweiten Buchhälfte werden diese
in den Getreidebiographien detailliert einzeln vorgestellt, was dem
Buchabschnitt einen Lehrbuchcharakter verleiht. Allerdings nicht trocken zu
lesen, sondern interessant und lebendig. Weiterhin erklärt die Müllermeisterin
sehr anschaulich das Mahlen und die allgemeinen Regeln der Getreideverarbeitung.
Entgegen seinem sonstigen Prinzip verwendet Lutz Geißler manchmal auch
zusätzlich exotischere Zutaten. Mit ein wenig Übung und Erfahrung kann man
diese aber auch durch geläufigere Zutaten ersetzen, um Alltagstauglichkeit zu
erhalten. Die beiden AutorInnen Experten beweisen mit dem Buch, dass
Vollkornbrot locker, saftig, hocharomatisch sowie vor allem gesund und lecker
sein kann- im Gegensatz zur mitunter steinigen Vollkornbäckerei der 80er Jahre.
Fazit
Geballtes Getreidewissen und gute Rezepte- ein gelungenes Standardwerk.
Vorgeschlagen von Vorderwülbecke
[Profil]
veröffentlicht am 12. November 2020 2020-11-12 08:51:22