Neben Vater und Tochter herabfallende Vogelfedern auf dem Buchcover vermitteln
den melancholischen Eindruck eines Umbruchs. Ausfallende Federn machen einen
Vogel verletzbar und sind zugleich Symbol des Wachsens. An anderer Stelle schaut
das Mädchen Mara – wieder zwischen fallenden Federn - aus dem Fenster auf ein
blaues Herrenrad. Maras Vater ist nach einer Hirnverletzung ein anderer Mensch
geworden und wird nicht mehr Radfahren können. Für ein Kind ist das nur schwer
zu verarbeiten. Allein durch ihre Körpergröße wirkt Mara im Vergleich zu den
Erwachsenen bereits reif. Das Spielzeug ihrer Kindheit auf den Bildern könnte
jedoch signalisieren, dass Kinder leicht überfordert werden, wenn wir sie
allein nach ihrer Körpergröße bewerten. Maras Vater scheint es schon besser
zu gehen, er erkennt seine Tochter. Sein unbeweglicher rechter Arm,
Antriebslosigkeit und eine Wortfindungsstörung zeigen ihn jedoch als Patienten,
der noch einen langen Weg der Rehabilitation vor sich hat. Es kommt zu
Situationen, die Mara verletzen und auch ihre Mutter trägt schwer daran, dass
sie nun allein für die Familie verantwortlich ist. Maras Wut daüber, dass von
ihr stets Rücksicht auf den Vater erwartet wird, entlädt sich optisch in einer
riesigen roten Wolke, die aus ihrer Mitte hervorbricht. Zum Glück findet sie im
ehemaligen Nachbarn Sergio einen Gesprächspartner, bei dem sie frei erzählen
und über ihren Verlust weinen kann. Sergio ist Vater einer Tochter, die nach
einer Hirnverletzung im Rollstuhl sitzt – und auch er ist traurig und wütend
über die Veränderung. Dass er die Behinderung in anderen Worten beschreibt und
das schwarze Loch der Trauer bei Mara erkennt, ist ihr eine große Hilfe.
Fazit
In zart gezeichneten doppelseitigen Illustrationen mit nur geringem Textanteil
erzählen Juliana Campos und die Illustratorin Daniela Costa von einer
Wesensveränderung durch schwere Krankheit, die kleinen Kindern nur schwer zu
vermitteln ist. Ihr Bilderbuch richtet sich an Kinder ab 4 Jahre und bietet
beispielhaft für alle wesensverändernden Erkrankungen betroffenen Familien
Gesprächsanreize über ihre Gefühle als Angehörige des Patienten.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 08. Oktober 2020 2020-10-08 08:50:46