Der Autor des Buches ist ein Insider. Thomas Reichart leitete mehrere Jahre das
ZDF-Studio in Peking, konnte und durfte seine Erfahrung als erfahrener
Journalist im Ostasiatischen Raum sammeln. Seine Eindrücke und Einschätzungen
über das Reich der Mitte schildert er in Bezug auf die Mechanismen des
Staatsapparates im politischen Systems der Volksrepublik China, einer
denkwürdigen Mischung aus Kommunismus, autoritativem System und Kapitalismus -
einem Staatskapitalismus.
Prägende Eindrücke bringt der Autor zu Beginn des Buches zur Sprache. In einer
Zeit, in der er gemeinsam mit seiner Familie zurückkehrt. Er schildert eine Art
von "Kulturschock". Hier das moderne und dennoch träge und geradezu
harmlos-verschlafene Deutschland, dort der progressive Drang des nach Weltmacht
strebenden China. Kontraste in Reinkultur. Er macht sie fest am politischen
System eines autoritären Einparteiensystems und der Gefolgschaft der
Bevölkerung. Die Menschen versagen der Regierung zu großen Teilen ihre
Gefolgschaft nicht, da sie -allen negativen Aspekten zum Trotz- mit einer
wirtschaftlichen Erfolgsbilanz aufwarten kann, die bei einem guten Teil der
Bevölkerung spürbar ankommt. Eine Gesellschaft, die nach Erfolg strebt, mit
großem Ehrgeiz den eigenen Aufstieg schaffen möchte und dafür mit einem
besseren Auskommen und Leben belohnt wird. Bleibt die bange Frage: hält das auf
Dauer?
Thomas Reichart erzählt viel über das Land, die Menschen, ihre privaten und
kulturellen Gepflogenheiten. Er trennt den "Chinesen" und
Staatsangehörigen eines aufstrebenden Landes, das wenig Rücksicht auf die
Bedürfnisse von (ethnischen) Minderheiten nimmt. Hongkong, Tibet, Taiwan und
die Uiguren in Xinjiang seien beispielhaft aufgeführt. Was zählt ist das
eigene Machstreben, das eigene politische und wirtschaftliche Interesse - koste
es, was es wolle.
Fazit
Zu Beginn des Buches war ich zugegebenermaßen ein wenig überrascht. Ein
westdeutscher Korrespondent, der den Lifestyle in China vergleicht mit der in
Deutschland und: da sehen wir hierzulande in der Tat nicht immer gut aus. Er
übt Kritik - keine vernichtende, sondern wohlwollend. Er legt sozusagen den
Finger in die Wunde. Ist ja durchaus manchmal gut und hilfreich - notwendig.
Nach und nach wird aber genau so klar: China auf dem Weg nach ganz oben. Die
Strategie der chinesischen KP unter der Führung des politischen
"Führers" Xi Jin Ping. ist klar: China First! Wen wundert es da noch,
dass Konflikte mit den USA eigentlich vorprogrammiert sind. China hat eines
allerdings mittlerweile gelernt: "Geld regiert die Welt". Und so
stellt der Kapitalismus zum Wohle des Staates für die derzeitige Führung
keinen Widerspruch dar. Er ist vielmehr Mittel zum Zweck um erfolgreich zu sein
in der Auseinandersetzung mit dem gering geschätzten Demokratien der westlichen
Welt.
Mit seinen Einschätzungen reiht sich der Autor nahtlos in die große Zahl derer
ein, die China auf dem Weg zur Weltmacht sehen und dabei die Auseinandersetzung
mit dem ideologischen Gegner nicht scheuen. Bleibt die (bange) Frage: um welchen
Preis? Ein lesenswertes Buch.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 12. September 2020 2020-09-12 12:31:13