Sehr fundierte und umfassende Darstellung
Einerseits ist eindeutig und klar, dass Essstörungen, und dabei vor allem die
anorexa nervosa, eine tiefgehende, schwierige und breit ins engere und weitere
Umfeld einwirkende Erkrankungen sind. Andererseits, und auch das ist eine
gewichtige Erkenntnis der Lektüre, ist ebenso offenkundig, dass eine
"fatale Unterversorgung" für deren Behandlung und auch hier vor allem
wieder für die anorexa nervosa, vorliegt. Was nicht nur am Geld oder an einem
Stellenplan ursächlich begründet ist, sondern auch an einem, immer noch,
verbreiten Mangel und Wissen und Erfahrung mit dieser gefährlichen psychischen
Krankheit. Mit hineinspielt natürlich, auch das zeigt die Lektüre des Werkes
eindrucksvoll auf, dass "magersüchtige Menschen" in der Regel eben
nicht unter ihren Symptomen leiden, sondern in manchen Fällen diese ja gerade
als Ziel und "Quelle des Heils" betrachte werden.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch erfahrene Therapeuten nicht selten vom
eigenen Empfinden her in eine "verkehrte Welt" geraten, die klug und
verbal gewandt und differenziert für den Betroffen hohen Sinn ergibt und damit
auch das therapeutische Handeln immer wieder vor hohe Herausforderungen stellt.
Licht und Licht-Darbellay gelingt es, Schritt für Schritt nicht nur
professionellen Therapeuten eine fundierte Grundlage zur Betrachtung und
Behandlung des Störungsbildes an die Hand zu geben, sondern auch dem
interessierten Laien diese "verkehrte Welt§ ein stückweit zu
erschließen. Wobei es dabei einer konzentrierten Lesehaltung bedarf, denn
wissenschaftlich fundiert werden die Erkenntnisse aus der eigenen
psychotherapeutischen Praxis aufbereitet und damit bedarf es einiger Zeit
einfach auch, die einzelnen Schritte und Erläuterung umfassend zu verstehen.
Wobei die vielfachen Praxisbeispiele und damit die konkreten, subjektiven
Betrachtungen der Patient/innen sehr konkret zum Verständnis von Ursache und
Wirkung der anorexia nervosa beitragen und in bester Weise die theoretischen
Erkenntnisse der Autoren illustrieren und griffig gestalten. Was im Gesamten, so
ist zu hoffen, überzeugende Möglichkeiten an die Hand gibt, den "ewigen
Kreislauf" gerade der Behandlung der Anorexie. "Behandlungsresistenz
und Therapieabbrüche" treten gerade bei an Anorexie-Erkrankten fast als
"Regel" denn als Ausnahme auf. Was dabei nottut, was auch an
therapeutischer Sicht und im Rahmend er Versorgung zu verändern wäre, das
findet sich ebenso im Werk, wie eine umfassende Betrachtung des
Erscheinungsbildes der Erkrankung, der Diagnose und Fakten rund um die anorexia
nervosa.
Fazit
Die therapeutischen Modelle und ihre je Herangehensweise vollziehen die Autoren
dabei ebenso nach, wie wesentliche Eckpunkte an ein "klinisches
Modell" entfaltet und übersichtlich vorgelegt werden, bis hin dann, im
letzten Teil des Werkes, die konkrete Therapie in ihren einzelnen Phasen,
methodische Hinweise und ein "Dreischritt" einer therapeutischen
Entwicklung aus den klinischen Erfahrungen abgeleitet wird.
Wobei im Gesamten betont vorliegt, dass die "Beziehungsgestaltung" das
"Primat" der therapeutischen Arbeit bildet. Was sich offenkundig
ergibt, wenn klar wird, dass anorexia nervosa vor allem die existenzielle,
innere Suche nach Sicherheit widerspiegelt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 16. August 2020 2020-08-16 13:10:33