Ein intensives und wichtiges Buch
Eine Reise. Ein Ethnologe und Theologe, der auf dieser Reise sein literarisches
Lebensthema findet und auch als Mensch (auch spirituell) tief beeindruckt diese
Reise beendet wird. Ein alter Indianer, der Kent Nerburn mit auf die Reise
nimmt, weil er merkt, dass das Wesentliche in nur erzählenden Worten nicht
wirklich greifbar und fassbar ausgedrückt werden kann. Und ein Fahrer,
Indianer, Lakota, der dazu gehört. Die "Native Americans", so die
Selbstbezeichnung, die immer noch gilt, auch wenn seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts alle Kriege gegen die US-Armee und die Siedler im Westen Amerikas
verlorengingen und ein Hauch indianischen Lebens nurmehr in Reservaten zu finden
ist.
Was, wie das Buch zeigt, so nicht stimmt. Denn "die Erde vergisst
nicht". Der Geist der Indianer ist für Dan, den alten Indianer, genauso
aktuell und gegenwärtig, wie es auch die Schuld des "weißen Mannes"
ist. Ein Wissen, dass dicht, intensiv, fassbar aus den Seiten des Reise-Romans
spätestens dann nahetritt, wenn die kleine Reisegruppe den Friedhof am Wounde
Knee erreicht, die Gebetspfeife entzündet wird und das Innere massiv in
Bewegung gerät, bei allen dreien. Und beim Leser.
"Hier starb Horncloud, der unschuldige Friedensstifter" - "In all
diesen Lettern widerhallte der Aufschrei, eine Empörung, die immer wieder in
dem Wort "Unschuld" kulminiert".
Wenn dann noch Dan das Ergehen seines Volkes, das hingeschlachtet werden, mit
Jesus am Kreuz für die Weißen zur dauerhaften Wunde erklärt, dann wird klar,
dass alles mit allem zusammenhängt und jeder Lebensstil, jede Lebenshaltung,
jeder Konflikt seine Spuren auf Dauer hinterlässt.
"Ich habe noch nie einen Indianer getroffen, der nicht tiefe Trauer und
Zorn über das empfunden hätte, was seinem Volk widerfahren ist, und ich bin
auch noch nie einem ehrlichen und sensiblen Amerikaner nicht-indigener Herkunft
begegnet, der in seinem tiefsten Innern nicht ein schlechtes Gewissen gehabt
hätte".
Was sich vertieft nach der Lektüre des Werkes, in dem indianische
Spiritualität, tiefe Lebensweisheiten und Glaubensüberzeugungen geballt vor
Augen geführt werden und wieder daran erinnern, dass schon zu Zeiten der
gewaltsamen Auseinandersetzungen Weisheit und Verbundenheit mit der Schöpfung
gegen Expansionsdrang und Rücksichtslosigkeit nichts ausrichten konnten. Hier
übersteigt das Buch auch den engeren, thematischen Rahmen und verweist für
jeden, der einigermaßen sensibel ist, auch auf die aktuelle Weltlage. In der es
nicht mehr die Indianer sind, aber jede Menge andere Völker, die zumindest
wirtschaftlich ausgenutzt oder, wenn zu viel Unruhe entsteht, kriegerisch
"geschliffen" werden sollen.
"Und mein Volk ist der Schatten, der euch in alle Ewigkeit an Euer Versagen
erinnern wird" - ein Versagen "aus der Natur heraus", fast. Denn
die Analyse von Dan trifft ebenso klar zu: "Ihr Weißen müsst lernen, Eure
Arroganz abzulegen. Ihr seid nicht die einzigen auf dieser Erde, und Ihr müsst
Euch damit abfinden, dass Euer Weg nicht der allein seligmachende ist. Die
Völker haben dem Schöpfer auf verschiedenste Art und Weise gehuldigt, und Ihr
müsst lernen, das zu respektieren".
Müssen wohl, aber können? Schaut man sich den aktuellen Zustand Europas an
gegenüber "fremden Huldigungen des Schöpfers"? Ein bewegendes Buch,
dem Robert Plant ein poetisches Vorwort voranstellt, welches eines der
gewichtigsten Probleme menschlichen Zusammenlebens präzise formuliert.
"Den Triumph der Gier, des Rattenrennens nach mehr".
Fazit
Eine hervorragende, bewegende Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 10. September 2018 2018-09-10 11:30:20