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Marianne Rauwald: Vererbte Wunden

Vererbte Wunden

von Marianne Rauwald
Verlag: Beltz [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-621-28756-2

Preis: 39,95 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. Dezember 2024]
Intensive und fachlich fundierte Herangehensweise

Seit längerer Zeit schon schreitet die Trauma-Forschung mit durchaus ausgreifenden Schritten voran. Nach Militäreinsätzen, nach Geiselnahme und Kidnapping, nach traumatischen Erlebnissen bieten Therapieformen wie Ego-State oder EMDR-Techniken zumindest Ansätze zur Behandlung (mit durchaus beachtenswert guten Erfolgen). Im Rückblick aber, gerade auf die Generation der Menschen, die den zweiten Weltkrieg erlebt und überlebt haben, die seitdem an anderen Kriegsorten der Welt Opfer und Täter waren, galt dies über lange Zeiten hinweg nicht weg. Und auch in der Gegenwart ist noch lange nicht jedem der Angang einer Traumatherapie möglich, weil es an vielen Orten der Welt noch immer kaum oder keinen Zugang zu solchen Behandlungsmethoden gibt.

Ein Trauma aber wirkt. Wirkt mit sichtbaren Folgen für den äußeren und inneren Organismus der Person, beeinflusst die Haltung der Welt gegenüber und das meist unbewusst und, das setzt Marianna Rauwald zum Thema ihrer Untersuchung und Darstellung, ist so ein elementarer Faktor dessen, was traumatisierte Personen weitergeben. In ihr Umfeld hinein und vor allem im Blick auf die eigenen Nachkommen und deren Prägung. Und so ist auch der grundsätzliche Einstieg in Werk überaus verständlich, indem es die Rolle der Eltern in der Gesamtheit ihres Einflusses auf die Bildung der Persönlichkeit durch die Ergebnisse der modernen Bindungsforschung in den Blick rückt und auch der Subjektivität des Therapeuten in der therapeutischen Beziehungen eine andere als bis dato vorherrschende Gewichtung mit zuweist.

Es sind "signifikant transgenerationale Beziehungen, welche die Persönlichkeit grundlegend prägen und deren weiteren Lebensverlauf existentiell mitbestimmen. Wobei gerade die Weitergabe unbewusster Inhalte einen "häufig einschränkenden und entwicklungshemmenden Einfluss" auf die heranwachsenden Kinder und späteren Erwachsenen ausübt. Was in besonders schwerwiegendem Maße für "vererbte Narben" in Folge traumatischer Erfahrungen der Elterngeneration gilt. Die nicht "angeeignet" werden kann, da es ja eine "externe", nicht selbst integrierbare Erfahrung darstellt und so gleichermaßen "gegenwärtig, bestimmend, wie unverstanden und unintegriert" im Raum des eigenen Lebens verbleibt und somit dringlich einer Bearbeitung zugeführt werden sollte, ja, muss, um dem eigenen Leben Freiheit von den traumatischen Erfahrungen der Eltern zu ermöglichen.

Ansonsten droht eine ungefilterte und unverarbeitete Weitergabe der durch das Trauma geprägten Verhaltensweisen und Ängsten über Generationen hinweg. Hier legt Rauwald im Stil gut verständlich und in der Form nachvollziehbar strukturiert die Grundlagen der Psychotraumatologie vor Augen, rekurriert auf den aktuellen Stand der Bindungsforschung, was "sichere Bindungen" angeht und verweist ebenso auf Erkenntnisse über biologische und neurobiologische Verarbeitungen traumatischer Erfahrungen.

Wie psychische Traumatisierungen weitergegeben werden und wie diese bearbeitet werden können ist Schwerpunkt und Thema des Hauptteils des Werks bis hin zu, frühkindlichen Mutter-Kind Verhältnis mitsamt der Problematik der Verstärkung alter, traumatischer Ängste im Erleben und umgehend Versuch der unbewussten Verhinderung autonomer Entwicklungen des Kindes. Anhand griffiger Fallbeispiele verdeutlicht das Werk immer wieder, wie präsent unbearbeitet traumatische Erfahrungen der Vorgängergeneration verbleiben und eben nicht "Geschichte" werden. Um ebenfalls Wege aus der "Reaktualisierung" elterlicher Traumatisierungen vor Augen zu führen und damit das Thema des Werks umfassend und von allen Seiten her theoretisch und praktisch zu beleuchten.
Fazit
Es sind intensive Erfahrungen und destruktive Folgen, die unbearbeitete Traumatisierungen über Jahrzehnte und Generationen hinweg auslösen und ständig aktuell halten, die im Werk ihren Widerhall finden und auf konstruktive Bearbeitungsformen hin geöffnet werden. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre, nicht nur für im Bereich arbeitende Menschen.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 23. Juni 2020

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