Intelligent, verwickelt, spannend und mit überzeugendem Personal versehen
Es ist bedauerlich, nicht allzu viel vom Inhalt verraten zu können, denn gerade
der Anfang dieses neuen Thrillers von David Baldacci führt zu so vielen Fragen,
ist so kunstvoll gestrickt, dass natürlich alles Weitere sich daraus ergibt und
bald schon ungeahnte Ermittlungsrichtungen sich auftun werden. Was soll man auch
zunächst davon halten, dass ein, bis dahin unbescholtener Bürger, Berater von
Geheimdiensten und Inhaber einer Sicherheitsfirma eine ihm scheinbar völlig
unbekannte Frau just vor dem FBI-Gebäude unvermittelt erschießt. Und dass
nicht die letzte Tote in diesen dramatischen Minuten sein wird. Was zudem genau
vor den Augen von Amos Decker stattfindet, der keine Reaktionszeit zum
Eingreifen gewährt bekommt.
Was Baldacci ebenfalls von Beginn an in einen Gesamtkontext setzt, der das
private Leben seiner Hauptpersonen mit in den Mittelpunkt rückt und so dem
Leser Gelegenheit gibt, dem "Mann mit dem Nicht-Vergessendem
Gedächtnis" intensiv nahezukommen. Wie auch seiner Kollegin Jamison, eng
vertraut mit Amos und mit einer neuen Idee für das zukünftige Wohnen der
Beiden ausgestattet, zu dem Decker natürlich erst einmal überhaupt keine Lust
hat (was bei ihm aber grundlegend eher die Regel als die Ausnahme darstellt, mit
der Unlust gegenüber Neuem und Fremdem). Und auch da, im neuen Haus, ganz oben
in der Wohnung, wird Decker unwiderstehlich in Geschehnisse mit hineingezogen,
die wieder einmal den ganzen Mann benötigen, um anderen hilfreich zur Seite zu
stehen.
Was dann aber familiär sich im Leben von Walter Dabney, dem Mörder,
herausstellen wird, welche Rolle präparierte Puppen dabei spielen, wie es
aufgrund dessen dem ehemaligen Kindermädchen der Dabneys dabei ergehen wird,
wie die drei Töchter sich als Personen zeigen werden und was das alles mit dem
Medikamentenschrank der Mutter der drei und Ehefrau Dabneys zu tun hat, das legt
Baldacci in seinem ruhigen, sehr fließenden Stil (der aber auch harte Action
kann) in stetiger Geschwindigkeit vor.
"Die Frau wurde nach vorne gerissen, als die Kugel ins schrägem Winkel in
ihren Nacken einschlug".
Wobei sich Amos Decker von Sperrfeuern aus dem eigenen Lager natürlich erst
recht nicht aufhalten lassen wird. Und wenn dann auch noch Melrose Mars, wie
Amos Decker, groß, stark und gewichtig, auch einer, dem man nicht krumm kommen
sollte, sein goldenes Herz zeigt in jenem Hospiz, das eine nicht geringe Rolle
im Fall spielen wird, dann wird die Geschichte vollends rund und überzeugend
und packt den Leser ohne Unterlass.
"Können sie sich wirklich an alles erinnern"? - "Mehr oder
weniger. Die Betonung liegt auf mehr".
Was Fluch und Segen zugleich ist für Amos Decker. Ein Segen für die Arbeit als
Ermittler mit inzwischen festem Wohnsitz statt eines Pappkartons auf einem
Parkplatz. Ein Fluch, was seine persönliche Lebensgeschichte angeht, in der er
seine ermordete Frau und sein ermordetes Kind ein Leben lang nun ohne sanftes
Vergessen vor den inneren Augen haben wird.
Aber wer weiß, vielleicht entfaltet sich ja irgendwann auch so etwas wie ein
privates Glück für den Mann. Der seine Jamison unter Umständen noch nicht mit
den richtigen Augen angesehen hat, der aber, zum Glück, fest verwurzelt in
seinen engen Freundschaften steht und dem Leser Thriller für Thriller immer
mehr ans Herz wächst.
Fazit
Ein überaus gelungener, empfehlenswerter Thriller.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 31. Januar 2020 2020-01-31 16:12:51