Im London der Zukunft ist Alan Garner an einem geheimen Ort in der Ausbildung
als Drohnenpilot. Als in der Szene legendärer Gamer gibt es für Alan keine
Trennung mehr zwischen realer und virtueller Welt. Er bereitet sich auf seinen
ersten Drohnenangriff auf eine Zivilperson in einem abgeriegelten Außenbezirk
Londons vor – Subjekt K622. Doch schon während der Beobachtung seiner
Zielperson regen sich bei ihm Zweifel daran, ob eine klinisch reine Beseitigung
eines Menschen möglich ist. Kann Alan dem überhaupt trauen, was er im
"Streifen" beobachtet - dem Bereich, der vom ehemaligen London übrig
geblieben ist? Als Soldat in der Ausbildung ist Alan fest in sein Team
integriert und darf sich keinen Fehler leisten. Zu seiner beruflichen
Qualifikation gehört es, Gefühle und Schmerz abzukapseln. Alan hat seinen
Vater nie kennengelernt und möchte glauben, dass seine Talente ihn mit dem
unbekannten Vater verbinden. Er lebt noch bei seiner Mutter, die von seiner
Berufswahl nicht erbaut ist, auch wenn er als Soldat nun endlich seine
Spielekonsole loslassen muss.
Alan hat den etwas jüngeren Lex nie getroffen - aber als er die entscheidende
Bewegung ausführt, um K622 zu töten, kreuzen sich die Wege der beiden jungen
Männer. Lex lebt mit seiner Familie im "Streifen" und sammelt im
militärischen Sperrgebiet Brombeeren, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.
Als sein Vater ihn mit Gewalt daran hindert, schwant Lex, wie gefährlich das
Leben in der Stadt geworden ist. Auch Lex ist Gamer und versetzt sich dabei in
eine menschenleere Fantasiewelt, in der "wir" die Waffen haben und die
anderen auslöschen. In der realen Welt hat sich Lex' Vater mit seinem
"Corps" überworfen, das immer für seine Leute gesorgt hatte. Er
möchte, dass Lex nun eine Rolle in der Organisation übernimmt. Lex lernt auf
seinen Botengängen, dass er überall jederzeit zu orten und von Drohnen zu
töten ist. Es gilt also, seine Route stets zu verschleiern und nur an sich zu
denken. Als er das Mädchen Zoe kennenlernt, kann die Beziehung tödlich für
Lex werden, da Zoe nicht unter dem Schutz des Corps steht.
Zwei junge Männer, die in einer anderen Zeit gemeinsam zur Schule gegangen sein
könnten, zwei Icherzähler, eine brutale, dystopische Welt und ein Vater, der
mehr weiß, als er zu erkennen gibt. Während sein Vater sich auf eine
bedrohliche Situation vorbereitet, will Lex wenigstens eine Spur von Normalität
mit Zoe leben. 20 Jahre später ist es ausgerechnet Zoe, die darüber
nachdenkt, was gewesen wäre, wenn …
Fazit
William Sutcliffes düstere Utopie lebt von der herausragenden
Ausdrucksfähigkeit seiner beiden Icherzähler. Der Text wirft u. a. die Frage
nach persönlicher Verantwortung auf – und was im Zeitalter des Kriegs vom
Schreibtischstuhl aus eigentlich ein Held ist.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 21. Januar 2020 2020-01-21 08:20:03