Deutlich wurde die Misere nach 2015 in besonderem Maße. Dennoch: das Problem
ist altbekannt. Neonazistische, rechtsradikale und extremistische Tendenzen
hörten in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg nie ganz auf. In der Bundesrepublik
wurde hiermit anders umgegangen, als in der DDR. Wurden im Westen
rechtsextremistische Tendenzen verharmlost, durfte es in der ehemaligen DDR
derartige Tendenzen offiziell gar nicht geben. Schließlich war man als
Arbeiter- und Bauernstaat sozialistischen, antikapitalistischen und somit auch
antifaschistischen Idealen verpflichtet.
Quent beginnt sein Buch mit den Ereignissen von Chemnitz und den Lektionen, die
hieraus zu ziehen sind. Die offensichtlichen Übergriffe allerdings sind in der
Masse und der Schärfe vielleicht neu, aber sie haben eine Tradition, die in
beiden Teilen Deutschlands latent vorhanden waren. Die Frage, woher die
scheinbar zunehmende Unterstützung für die rechten Extremisten kommt und
welche Methoden angewandt werden, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu
versetzen und mit kruden Untergangstheorien zu versehen, werden ausführlich
beschrieben. Quent erklärt auch, warum eine beachtliche Zahl von Menschen in
den neuen Bundesländern für die rechten Argumente besonders zugänglich
erscheinen, ohne zu missachten, dass bedeutender Rückhalt auch aus den
westdeutschen Bundesländern kommt.
"Sie kommen nicht durch!" - No pasáran! Das abschließende Kapitel
widmet der Autor zusammenfassenden Argumenten gegen die rechten Theorien und
beschreibt Möglichkeiten, wie rechten Verhaltensweisen und Argumenten mit
Überzeugung entgegenzutreten ist. Und das dürfte Konsens in den Reihen
demokratischer Kräfte sein!
Fazit
Zweifelsfrei greift der Autor ein brandaktuelles und heikles Thema zugleich auf.
Vormals wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Landtagsabgeordneten der Fraktion
"Die Linke" im thüringischen Landtag und nunmehr Direktor des
Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, hat sich Quent
mit dem Thema Rechtsextremismus in besonderem Maße beschäftigt und hierüber
geforscht. Aus eigener Sicht kennt er die starken Strömungen und Tendenzen, die
in den neuen Ländern einer Partei wie der AfD Menschen gerade scharenweise in
die Arme treibt. Er kennt aber auch die Auswüchse, die sich in
rechtsextremistischen Übergriffen und Attentaten auf verabscheuenswerte Art und
Weise Luft verschaffen.
Diesen gewalttätigen, radikalen und gegen unsere Demokratie gerichteten
Angriffen mit Entschiedenheit und Entschlossenheit entgegenzutreten, muss das
Ansinnen aller Demokraten in diesem Lande sein - ohne wenn und aber. Und dem
werden alle politischen Kräfte von links-liberal bis konservativ ohne weiteres
beipflichten. Gerade in jüngster Zeit gab es jedoch immer wieder rechtsradikale
Übergriffe und Attentate. Nicht nur in einem bislang unbekannten Maß, sondern
auch mit besonderer Brutalität. Die Spitzenpolitiker nahezu aller Parteien
reagieren auf diese Gefahren. Es ist zwar spät, aber eben noch nicht zu spät.
Diese Schlussfolgerung zieht der junge Rechtsextremismusforscher Matthias Quent
in seinem vorliegenden Buch. Flüssig geschrieben, lässt sich das Buch
entsprechend leicht lesen.
Dennoch: aus meiner Sicht sind seine politischen Richtungsangaben jedoch nicht
immer stringent. Rechts-links als Grundmuster mag in seinen Auslenkungen noch
nachvollziehbar sein, die Mitte indes ist in den Schilderungen schwer greifbar,
insbesondere wenn es um den Begriff "konservativ" geht. Mal als
rückwärts gewandt, an anderer Stelle als bewahrend (im positiven Sinne)
dargestellt, erscheint gerade dies politische Spektrum für den Leser schwer
greifbar. Klar wird auf jeden Fall: die Mehrheit der Bürger steht hinter dem
Grundgesetz und der Demokratie als Staatsform; selbst wenn die neue Rechte
versucht, ein anderes Bild zu zeichnen. Nüchterne Betrachtungen der Zahlen
helfen, ein realistisches Bild zu zeichnen. Und insofern ist ein gewisser
Optimismus in Bezug auf die politische Auseinandersetzung durchaus angebracht,
insbesondere wenn es darum geht, konsequent radikalen Argumenten
entgegenzutreten.
Allerdings ist zu bezweifeln, dass es wirklich klug ist, den neuen Rechten nicht
argumentativ entgegenzutreten, sondern ihnen öffentliche Podien zu entziehen.
Wenn wir sie "ausblenden" sind sie dann wirklich weg oder
"erledigt"? Gerade in Anbetracht der Fülle an Möglichkeiten z.B.
über die "Social Media" erscheint mir dies nicht nur unrealistisch,
sondern kontraproduktiv!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 27. November 2019 2019-11-27 22:33:00